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Fleisch II: Das Schwein und seine kulinarischen Perlen

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Seit 9000 Jahren suhlt es sich im Schlamm Europas und Asiens. In der Antike genoss das Schwein hohes Ansehen, den heiligen Antonius von Padua begleitete lebenslang ein treues Rüsseltier. Schwein zu haben, galt im alten Rom als Zeichen von großem Wohlstand und Achtbarkeit. Auf mittelalterlichen Gassen übernahm es die ökologische Müllabfuhr. Sein Wachstum ist beachtlich: Wer schafft es sonst, von einem 1,5 kg schweren Spanferkel in 8 Monaten zu einem 100 kg schweren Eber zu wachsen und nach einem respektablen, mit Rüben, Kartoffeln, Getreide, Raupen, Schnecken und Abfällen gepamperten kurzen Leben 350 kg auf die Waage zu bringen?

Der Geruchssinn des genialen Schweinerüssels sucht seinesgleichen und einer Sau sollte man mit Respekt begegnen, bringt sie doch 1 bis 2 mal im Jahr bis zu 6 Ferkel auf die Welt um diese dann 4-6 Wochen lang aufzuziehen. Außerdem verfügt sie über die Hauer eines Raubtiers, mit dem sie Fleisch zerfetzen, und über die Beißorgane eines Pflanzenfressers, die auch harte Körner zermalmen können.

Allesfresser wie der Mensch, hat das Schwein mit diesem – genetisch gesehen - einiges gemein. Das Schwein gibt für den Menschen alles, mit Haut und Haar. Wie konnte das ehemals hoch geschätzte Borstenvieh auf die Stufe eines ausschließlich wegen seiner Verzehrbarkeit geachteten Zuchtprodukts hinabsinken? Die christliche Mythologie lässt an diesem braven Tier im Kontext mit Gefräßigkeit und Schmutz wenig gute Haare...pardon, Borsten, eine Herabstufung, die Judentum und Islam teilen. Dabei – und das ist erwiesen – sucht das Schwein das Schlammbad ausschließlich, um sich von lästigen Hautparasiten zu befreien. Also eine durchaus lobenswerte Angewohnheit.

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Deutschland – ein einziger Schweinestall?

Beinahe 28 Mio. Schweine leben in Deutschland, 25,6 Mio in Spanien, weit abgeschlagen folgen Frankreichs (14 Mio) und Polens (13 Mio.) Schweinderl,  insgesamt wachsen über 150 Mio. Schweine nach EU-Normen auf. Zwar ist ein Rückgang bei Schweinezucht und –verzehr zu verzeichnen, aber Hack, Schnitzel und Haxe machen immer noch zwei Drittel des gesamten deutschen Fleischaufkommens aus. Traditionelle Hausmannsgerichte wie Kassler, Schweinsbraten und Fleischpflanzerl behaupten sich unbeirrt neben Pasta und Pizza. Schweinernes orten wir zwar gerne auf bayerischen Wirtshaustischen, aber aufgezogen werden die meisten Ferkel im deutschen Nordwesten.

Zum Fressen gern

Das vitaminreiche Schweinefleisch war lange wegen seines Fettgehalts verpönt. Versteht man es aber richtig zu braten, entfernt man vorab überflüssiges Fett oder schöpft es beim Braten ab und benutzt man den richtigen Bräter, stellt sich ein saftiges und gleichzeitig krosses Fleischerlebnis ein, das mit mageren Grundstoffen nicht zu erzielen wäre. Wichtig: Schweinefleisch im mäßig heißen Ofen braten (max. 225 Grad), langsames Garen erhöht Aroma und Geschmack. Pro Zentimeter Fleischhöhe rechnet man jeweils 10 Minuten Garzeit. Butterschmalz und Olivenöl passen sich dem Schwein bestens an und jede Menge Gewürze (Anis, Chili, Curry, Cumin, Paprika, Pfeffer, Knoblauch, Majoran, Senfpulver, Fenchelsamen, Wacholder, Lorbeer, Thymian, Majoran und Zwiebel) harmonieren mit Nacken- oder Bauchstück.

Krustenbraten
1 kg Schweinefleisch mit Schwarte kreuzweise bis zur Fettschicht in Rhomben oder Quadrate schneiden, mit Salz, Pfeffer, Kümmel und Senfpulver einreiben, in einem Bräter mit heißem Öl ringsherum goldbraun anbraten. ½ kg Schalotten pellen, halbieren und bei 200 Grad im Ofen mitbraten. Etwas Flüssigkeit zugießen. Nach 75 Minuten noch einmal übergrillen. Lecker dazu: Spitzkohlsalat und Semmelknödel. Bayerische  und westfälische Köche übergießen vor Garende mit hellem oder dunklem Bier.

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Semmelknödel(n) nach Karl Valentin
2-3 gewürfelte Zwiebeln in knusprig ausgebratenen Speckwürfeln dünsten, herausnehmen. Fond mit Butterschmalz anreichern und 6 gewürfelte altbackene Brötchen darin goldbraun rösten. Mit ¼ l heißer Milch übergießen und quellen lassen. 4 Eier, 2 Eigelb, 1 EL Dinkelmehl, gehackte Petersilie und Majoran untermengen, Muskat, Pfeffer, Salz zufügen. Mit angefeuchteten Händen 8 Knödel formen und in leise siedendem Wasser 20 Minuten garen.

Toskanischer Schweinsbraten
800 g Schweineschulter mit einem Mix aus frischem Rosmarin, Oregano, Thymian, gehacktem Lorbeer, Zitronenschale, -saft, Salz, Pfeffer, Olivenöl einreiben, in heißem Öl kräftig anbraten. Danach im Ofen 1,5 Std. garen. ¼ L Vin Santo mit 1 Tl Honig, Fenchelsamen, Pfeffer mischen und zusammen mit Cocktailtomaten und Fenchelscheiben mitgaren.

Glasierte Spanferkelhaxen aus der Lombardei
4 Spanferkelhaxen einritzen und Einschnitte mit je einem Knoblauchstift spicken. Salzen, pfeffern, mit Oregano einreiben. Im gefetteten Bräter im vorgeheizten Ofen bei 225 Grad 15 Minuten garen. Auf 175 Grad zurückschalten und mit 250 ml Weißwein angießen. Während einer einstündigen Bratzeit ab und zu mit dem Fond beträufeln und weiteren Wein nachgießen, einköcheln. Für die Glasur je 2 EL Honig, Zitronensaft und Brandy verrühren, einpinseln, weitere 30 Minuten braten, zwischendurch erneut glasieren. Hat sich eine braune Kruste eingestellt, Bräter herausnehmen, Fleisch abdecken, 10 Minuten ruhen lassen. Köstlich dazu: sahnige Polenta mit frittierten Basilikumblättern.

Pikantes Schweinefleisch aus den Abruzzen
700 g Schweineschulter von Fett und Sehnen befreien, würfeln. Aus Knoblauch, Peperoncinis, Thymian und Salbei, Weißweinessig, Olivenöl, Salz, Pfeffer eine Marinade rühren, Fleischwürfel darin baden. Im Ofen 1 Stunde bei 160 Grad Umluft braten. 500 g Steinpilze/Egerlinge vierteln, mit dem Abrieb einer Bio-Orange und einem Schuss Wermut unter das Fleisch mischen, weitere 15 bis 30 Minuten weich garen.

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Schweinerücken französisch
1,5 kg Lummerbraten vorbereiten, salzen, pfeffern. In einem ausgebutterten Bräter geschnittene Lauchstangen, Möhren und Zwiebeln verteilen. 500 g Schlagsahne mit 150 g Crème fraiche, 1 EL Dijon-Senf und gehackten Kräutern (Rosmarin, Salbei, Thymian, Hauch Minze) mischen und über die Gemüse gießen. Braten darauf legen, mit weiteren Kräutern bestreuen und mit Cognac begießen. Während 1,5 Stunden bei 200 Grad im Backofen immer wieder mit Sahnesauce bestreichen. Eine halbe Stunde vor Garende auf 150 Grad herunterschalten. Gemüse herausnehmen, anpürieren, zurück in die Sahnesauce geben, aufkochen. Fleischscheiben damit bedecken.

Wenn es fix gehen soll...

Schnelle und feine Stücke sind Schnitzel und Cordon Bleu aus der Oberschale (sehr mager) und Unterschale (zart marmoriert) oder der Nuss, Lenden- oder Nackenkotelett, Filetscheiben. Die würzigen Schälrippchen kommen schon reichlich deftiger daher, die dicke Rippe liebt Backobst und der Schweinebauch wilde Kräuter. Die Kassler Rippe – gepökelt und leicht angeräuchert – stammt vom Rückenstück. Schweinehack ist zwischen Fleischpflanzerl und Falschem Hasen ein wahrer Alleskönner, kostengünstig (weil auch aus Restabschnitten von Schmor- und Bratstücken), doch leicht verderblich. Bei höchstens + 4 Grad aufbewahren, schnell zubereiten und genauso rasch verzehren!

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Eine schöne Lende parieren, salzen, pfeffern. Sud aus trockenem Frankenriesling, Schuss feinstem Weißweinessig, Wacholderbeeren, Lorbeer, kleinen Selleriestücken, Karottenwürfeln und Schalottenringen herstellen. Das Fleisch darin (ganz bedeckt) sanft sieden lassen, bis es bei Druck leicht nachgibt. Den durchgesiebten Sud mit frischem Meerrettich und feinen Selleriespänen aufkochen.

Schweinesteaks in Bierbeize
Nackensteaks in einer Beize aus Olivenöl, Senf, Pfeffer, Zwiebeln, Majoran, 150 ml Pils einlegen. Steaks gut trockentupfen und in Öl goldbraun braten, mit einem Schuss Bier ablöschen, dann die Zwiebeln und das Majoran aus der Beize zufügen. Im vorgeheizten Ofen weich garen. Feines, mit Milch gestampftes Kartoffelpüree mit Muskat und frischem Meerrettich würzen. Saftige Apfelspalten in einem Sud aus Weißwein, Orangenmarmelade, Prise Zucker dünsten. Steaks mit Püree und Apfelspalten servieren.

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Auch die als weniger edel betrachteten Teile wie Pfote, Spitzbein, Bauch, Rückenspeck, Backe und Schweinskopf bieten kulinarische Überraschungen.

Eisbein
Diese heute vernachlässigte Köstlichkeit besser beim Schlachter vorbestellen, damit sie traditionell eingelegt und nicht mit Pökellake bespritzt wird. So geht’s: Eisbeine in einem großen Suppentopf mit köchelndem Wasser, Suppengrün und Zwiebeln einlegen. 2,5 Stunden immer von Flüssigkeit bedeckt sieden. Nacheinander geviertelte Kartoffeln und Kürbisstücke mit garen, 10 Minuten vor Garende halbierte Birnen und Backobst zufügen. Speckschwarte entfernen, mit Liebstöckel und viel schwarzem Pfeffer aus der Pfeffermühle würzen.

Marinierte Schweinebacke
Schweinebacken in einem Sud aus Möhre, Zwiebel, Knoblauch, Sellerie, Lorbeer, Essig, Wasser, Salz 45 Minuten ziehen lassen. Im Topf abkühlen lassen, trocknen, mit Öl bepinselt unter dem Grill bräunen. 4 Stunden in eine Marinade aus Chilli, Knoblauch, Petersilie, Weißweinessig, Olivenöl und Petersilie legen. Mit Zitrone und Landbrot genießen.

Allerlei Schweinereien

Mit den Stoßzähnen eines Wildschweins am Helm stellten sich antike Helden dem Kampf. Heute ziehen Rotten von Wildschweinen, die einst vom Aussterben bedroht waren, durch die Außenbezirke unserer Großstädte. Allein in Berlin 5.000 Stück, in Brandenburg rund 50.000. Nächtens stillen sie an Mülltonnen und Gartenabfällen ihren Appetit und am Tag erschrecken sie harmlose Spaziergänger im Grunewald. Sie durchpflügen Parks und Grünflächen und machen auch vor Friedhöfen nicht Halt. Schuld sind der Klimawandel, der die Population stark vermehren hilft und die zunehmenden Rodungen, die die Wildschweinen aus ihren angestammten Waldgebieten vertreiben. Ausgedehnte Monokultur-Pflanzungen bieten wunderbare Verstecke und üppige Nahrungsquellen. Da Wildschweine Fallobst, Zwiebeln, Komposthaufen, Knollen über weite Entfernungen wittern, sollte man in gefährdeten Gebieten seine Gärten mit Zäunen und Wühlstangen sichern.

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In korsischen Berglandschaften sind halb-wilde Schweine dagegen gern gesehene Mitgenossen, liefern sie doch nach einem fast-freien Leben in frischer Luft, gesättigt mit Eicheln, Kastanien, Bucheckern und Wildgemüsen, exzellentes Fleisch mit einem hervorragenden Eigengeschmack als Grundlage für die Charcuterie Corse - Coppa (Schweinenackenschinken), Lonzu (geräuchertes Schweinefilet), Priduttu (roher Räucherschinken) Figatelli (Leberwurst aus Innereien), Sangui (Blutwurst) und Saucisson de Sanglier (Wildschweinmettwurst). Eine höchst willkommene Wurstoffensive.

Wildschwein in Morchelrahm
Wildschweinschnitzel leicht flach klopfen, in Öl goldbraun braten, warm stellen. Eingeweichte Morcheln durch einen Papierfilter abgießen. Frische Spätzle in Knoblauch-Öl anbraten, vorbereiteten Blattspinat zufügen und mit Muskat, Salz, Pfeffer würzen, garen. Die Morcheln im Bratfett anbraten, mit ihrem Einweichwasser, 200 ml Wildfonds, 4 cl Medium Sherry und 200 ml Schlagsahne aufkochen, mit Speisestärke binden, nachwürzen. Die Schnitzel im Morchelrahm mit den Spinatspätzle servieren.

Das Trüffelschwein

In Frankreich tut es immer noch seinen Dienst: Das Trüffelschwein, das in Eichenwälder- und Kastanienwäldern bis auf eineinhalb Meter unter der Erde die begehrten Edelpilze aufschnüffelt. Während anderenorts bereits abgerichtete Hunde, die nicht das geringste Interesse am Trüffel zeigen, diesen Job verrichten muss der begleitende Trüffelsammler dem Schwein seinen Fund, den der Gierhals sofort verschlingen würde, listig streitig machen. Schweine als ausgeprägte Gourmets? Nicht wirklich. Vielmehr lockt der Duftstoff des Trüffels leidenschaftliche Erinnerungen an schöne Minuten mit dem Eber hervor, dessen Sexualhormon eben denselben Geruch verströmt wie er weißen oder schwarzen Trüffeln zu eigen ist.

Glückliches Schwein oder arme Sau?

Heutige Massenmast-Schweine sind mit Sicherheit nicht glücklich zu nennen. Ihre Lebenserwartung ist mit 6-12 Monaten angesichts der 15 Jahre, die ein Schwein auf freier Wildbahn erwarten dürfte, mager. Doch die Zahl der engagierten Kleinbetriebe nimmt zu, die ihre Schweine zu artgerechten Bedingungen halten, ihnen kein Kraftfutter, sondern natürliche Nahrung verabreichen und ihr Ende so erträglich wie möglich gestalten.

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Das Glücksschwein, das wir heute an Silvester verschenken oder das Sparschwein, mit dem Kinder ihre ersten Erfahrungen mit Geldgeschäften machen, gab es bereits im Mittelalter. Vielleicht galt das Schwein, aus dem man mit wenig Input – Küchenabfälle – einen reichen Ertrag erntete, als erfolgreiche Geldvermehrung im Sinne eines frühen Kapitalismus. Schwein gehabt, bedeutet ja auch so viel wie „unverdient Glück haben“.

Dass es auch einen Mittelweg zwischen ökologisch und ethisch begründetem Vegetarismus und hemmungsloser Massentierhaltung gibt, zeigen Beispiele wie der englische Farmer und Metzgermeister Tom Wilson. Seine Tamworth-Schweine holen eine uralte Schweinerasse aus der Vergessenheit, die Wilson als „fröhlich, kommunikativ, lebhaft und abenteuerlustig“ bezeichnet und die zu allem Überfluss ein vorzügliches Fleisch liefert. Die Schweine auf Wilsons Hof dürfen bei eigenem Hoffutter langsam wachsen, erfreuen sich bester Gesundheitsvorsorge und haben den Auslauf, den sie für ein lustiges Schweineleben auch benötigen.

Roast Pork
Englischer Schweinebraten ähnelt unserem Krustenbraten. Allerdings wird der Fond hier mit einer Mischung aus gedünsteten Zimt-Äpfeln, Senfpulver, Zitronensaft, Zucker und Brühe aufgeschlagen und mit Rahm verfeinert.

Dann viel Schwein und noch mehr Genuss!

Text: Sigrid Jo Gruner, MissWord!

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