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Französische Klassiker (6): Cassoulet

Französische Klassiker (6): Cassoulet - Schmorgeschichten aus dem Languedoc-Roussillon

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Auf dem erdbraunen Ausfahrtsschild zwischen Toulouse und Carcassonne in der südwestfranzösischen Region Languedoc-Roussillon im Département Aude macht ein grafisch stilisierter Eintopf Appetit auf das weltberühmte Nationalgericht Cassoulet. Das auf einem kleinen Hügel thronende Castelnaudary ist die Geburtsstadt des deftig-ehrlichen Schmorgerichtes, um das sich viele Kochmythen ranken.

Kraft mit einer Prise Strategie im Topf

Der sämige Eintopf aus weißen Bohnen, Speck, gepökeltem Schweinefleisch und würzigen Würstchen ist ein wahrer Energie- und Kraftspender für die Freunde der bodenständigen Küche. Im Hundertjährigen Krieg schmissen die Einwohner einfach alles Essbare in einen Topf, um ihre Soldaten zu stärken. Die englischen Belagerer wurden daraufhin erfolgreich aus Lauragais zurückgedrängt. Die Geburtsstunde des Cassoulet war demzufolge um 1337. 500 Jahre später wird 1836 in Castelnaudary sogar  „Bouissou“ – eine eigene Cassoulet-Fabrik - eröffnet. 1970 hat eine Bruderschaft in Castelnaudary gegründet, die das geschichtliche Erbe und das Ur-Rezept Cassoulet verwaltet. Das Markenzeichen sei bereits verraten: Gänse- und oder Entenconfit.

Weitere ikonografische Analysen über Kochbücher, medizinische und archäologische  Schriften und Lokalgeschichten, die bis ins Mittelalter zurück gehen, kategorisieren das Cassoulet zunächst lange als  Ragoût. Ein Eintopf der armen Leute. Bis zum 17. Jahrhundert verfeinerte sich die französische Kulinarik auf Basis vieler volksnaher Basisgerichte.

Eine Weile auch am Hofe gekocht und elegant als ‚estouffet’ oder auch ‚estofat aux féves’ umbenannt, setzt sich der Name Cassoulet ab dem 18. Jahrhundert schließlich endgültig durch. Entstanden ist er ursprünglich durch die für seine Zubereitung verwendete irdene Keramikform namens ‚Cassole’, die natürlich auch durch hochwertige Schmor- oder Tontöpfe (z.B. Römertopf) ersetzt werden kann.

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Aber bitte mit Bohnen! 


Küchen-Historiker, die noch tiefgründiger in der Geschichte des Cassoulets rührten, vermuten noch eine andere Herkunft. Der große Küchenmeister Guillaume Tirel alias Taillevent, der fast 60 Jahre lang gleich mehrere Könige bekochte, soll – von einem arabischen Werk von Mohamed von Bagdad inspiriert – bereits 1226 eine sehr raffinierte Küche mit Gewürzen, Kräutern und Hülsenfrüchten entwickelt haben, die er mit Schafsfleisch kombinierte.

Dicke Bohnen zählten weltweit zu den unentbehrlichen Nahrungsmitteln für die ärmere Bevölkerung und waren bereits im alten Rom Leib- und Kraftgericht der Soldaten. Sind die legendären Hülsenfrüchte doch reich an nährreichen Inhaltsstoffen wie reichlich Vitamin-C, viel Eiweiß, Stärke und Lysin. Die Phaseolus, auch Acker- oder Saubohne genannt, wird nicht im Ganzen verzehrt. Die flachen, zartschaligen Samen, die man aus ihrer haarigen Schale pult, sollten wenn sie noch klein und knackig sind, verzehrt werden.

Columbus brachte 1530 die ‚haricot lingot’ nach Frankreich. Beliebt sind die länglichen Bohnen aus Tarbes, die aufgrund einer besonders dünnen Haut die Gewürze besonders leicht aufnehmen. Catherine de Médicis forcierte das Anpflanzen der Bohnen in der Region. Die knackigen Weißen erobern damit endgültig den Sud-Ouest de la France. Hier finden sie optimale Bedingungen, mögen den kalk- und nährstoffreichen Boden, viel Sonne und moderate Wasserzufuhr.

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Knuspriges Blattgold auf Kruste sieben

Das Geheimnis der Cassoulet-Rezeptur ist so einfach wie die Wärme, die sich beim Genuss des Gerichtes im Bauch ausbreitet: Bohnen und Fleisch werden langsam auf dem Herd gekocht und dann bei niedriger Temperatur über 5 Stunden im Backofen gegart. Und das Wichtigste: Die beim Backen entstehende Kruste wird mehrfach abgeschöpft und untergerührt. Traditionsgemäß muss das echte Cassoulet sieben Krusten haben. Letztere entsteht aus Semmelbröseln und thront wie knuspriges Blattgold auf dieser Ode an die Schönheit des Einfachen. Die Bohnen werden vor ihrem virtuosen Auftritt über Nacht eingeweicht. Möhren, Sellerie und Tomaten verbessern die Konsistenz und Weißwein setzt einen letzten geschmacklichen Akzent. Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten, das Cassoulet abzuwandeln. Wer es lieber vegetarisch mag, ersetzt das Fleisch einfach mit einem Mehr an Gemüse oder Fleischersatz wie gewürztes Tofu oder Seitan. So entscheidet jeder Koch individuell, wie er sein persönliches Cassoulet interpretiert.  Ähnliche Gerichte aus der Cassouletfamilie findet man in Brasilien (‚feijoada’), ‚fabada asturiana’ im Norden Spaniens, und die Polen mögen ihr ‚fasolka po bretońsku’, die sich durch andere Bohnen und variierenden Fleischeinlagen unterscheiden. Auch Meeresfrüchte wie Hummer und Muscheln oder Fisch ergeben ein delikates Cassoulet aux Poissons. 

Das Original CASSOULET Rezept in 5 Schritten*

Vortag


350 – 400 g weiße Bohnen (Typ Lingot Bohne aus Lauragais) 12 Stunden über Nacht in kaltem Wasser einweichen. In 3 Liter kalkarmem Wasser eine Brühe ansetzten mit 250 g der Speckschwarte in Streifen geschnitten mit einer Geflügelkarkasse, Schweineknochen, je 2 Zwiebeln, Selleriestangen und/oder Möhren eine Stunde sanft kochen.

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Folgetag 

Bohnen in ein Sieb geben und Wasser wegschütten. In 3 Liter frischem kalten Wasser zum Kochen bringen, 5 Minuten kochen. Wasser wieder wegschütten. Die bereits angesetzte Brühe durchseihen und die Schwarten beiseite legen (sie werden zur Montage des Cassoulet benötigt). Nun die Bohnen in der gefilterten Brühe eine Stunde garen, bis sie weich sind. Erst ganz am Schluss sehr gut und großzügig pfeffern und salzen.

Während die Bohnen kochen – das Fleisch zubereiten


In einer Pfanne mindestens zwei Enten oder Gänseschlegel (authentisch auf Basis eines bereits eingekochten Confit, das man in Dosen oder Gläsern kaufen kann). In zwei Teile geschnitten anbraten oder das Confit aufwärmen und „entfetten“ (Fett auffangen). Beiseite stellen. 4 (ca. 80 g) würzige Schweinsbratwürste (am besten natürlich Saucisses de Toulouse) im Restfett anbraten. Beiseite stellen und schließlich die vier Stück Schweinefleisch (Haxe, Schulter oder Brust) goldgelb anbraten (Variante: auch mit Lammschulter). Mit dem anderen Fleisch beiseite stellen und das Restentengänsefett auffangen. Bohnen abtropfen und diese Bouillon heiß beiseite stellen. Einige Knoblauchzehen und das doppelte an gesalzenen Speckwürfeln mit den Bohnen zusammenmengen und ggf. auch etwas Enten- oder Gänseschmalz (ca. 1 – 3 Essl.) untermischen.
Kräuter (zwei mittelgroße zerbröselte Lorbeerblätter, Thymian, Majoran und ggf. auch enthäutete, entkernte und gewürfelte Tomaten) und etwas Tomatenmark dazugeben.

Montage des Cassoulet



Den Boden der Cassole (oder Römertopf oder hochwertigen Schmortopf) mit den Speckschwarten (durchwachsen) auslegen, 1/3 der Bohnen dazugeben. Fleisch darauf geben und die restlichen Bohnen darüber geben. Die Würste am Schluss oben auflegen und leicht in die Bohnen eindrücken, sodass sie sichtbar bleiben. Die heiße Bouillon über dazugeben, so dass die Bohnen bedeckt sind (eine Schale Bouillon zurückhalten). Extra: Ein Schuss Essig verfeinert ebenso sowie ¼ - ½ l Weißwein  Gut pfeffern (grobe Pfeffermühle)!

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Der Akt: Das  Schmoren [Le Cuisson] 



Den Herd auf 150°/160° (Thermostat 5/6) und lässt das Cassoulet 2 – 3 Stunden unbedeckt schmoren. Sobald sich eine gold- bzw. schon fast kastanienbraune Kruste bildet, diese unterheben. Das Ur-Rezept schreibt vor, dies 7 x zu tun – aber ohne die zarten Bohnen zu zerquetschen. Wenn die Bohnen anfangen zu trocknen wieder mit etwas Bouillon übergießen. Oft angewandter kleiner Trick: Die letzte Schicht großzügig mit Semmelbrösel überstreuen (ca. 50 g) - Stichwort: Knuspriges Blattgold auf Kruste Sieben!

Am Tag darauf ist es natürlich schön durchgezogen und wird ca. 1 Stunde im Ofen und nur wieder aufgewärmt.

Wichtig! Die Cassoulet Bruderschaft rät: Das Cassoulet wird kochend heiß in seiner Cassole serviert, ohne es umzurühren. UND: Nehmen Sie immer Nachschlag, denn dieses Gericht bringt sie ins Paradies der volksnahen Küche!

*Dieses Cassoulet Originalrezept der Grande Confrérie (Bruderschaft!) du Cassoulet aus Castelnaudary wurde in einer 1:1 Übersetzung übertragen mit kleinen Abweichungen (Extra). Geschichtsquellen sind partiell ebenso von der Confrérerie.

Bon Voyage ins Katharerland: Castelnaudary, Carcassonne und Toulouse

Bekannt ist die von Landwirtschaft und Weinbau geprägte, recht dünn besiedelte Natur-pur-Region entlang des Flusses Aude vor allem auch für die Mystik der Katharerburgen wie z.B. die „Zitadellen des Schwindels“ Quéribus, Puilaurens und Peyerepertuse. Der 218 km lange Fernwanderweg Sentier Cathare führt in 12 Etappen von Port de la Nouvelle bis zum Mittelmeer. In den angrenzenden Regionen rund um Castelnaudary, das okzitanisch auch verschnörkelt als Castèlnau d’Ari betitelt wird, wird auch gern Lammfleisch oder Ente als Fleischbeilage hinzugefügt. In Toulouse gibt man auch regionale Landwurst, eingemachtes Gänsefleisch (Rillette), Kräuter und Gewürze wie Knoblauch, Zwiebeln und Thymian in den Topf und beansprucht den Titel der Urheberschaft des Cassoulets ebenso wie Carcassonne, die das Gericht gerne auch mit Hammelkeule und Feldhuhn zubereitet.

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Das Cassoulet ist der Gott der okkitanischen Küche. Ein Gott in drei Personen: Der Vater ist der Gott aus Castalnaudry, der Sohn aus Carcassonne und der Heilige Geist aus Toulouse.”  Zitat des weltberühmten Montagné, Chef Cuisinier à Paris aus Carcassonne in seinem Werk Le Festin Occitan  

Frankreichs älteste Weinregion und seine edlen Tropfen



Das durch das Zentralmassiv, die Pyrenäen und das Mittelmeer umrahmte Languedoc-Roussillon ist Frankreichs älteste Weinregion und vor allem für seine hervorragenden AOC-Weine bekannt wie beispielsweise der Minervois und Corbières. Aber auch der Saint Chinian, Faugères, Coteaux de Languedoc, Côtes du Roussillon, Carbardés lassen die Herzen der Weinkenner höher schlagen. Als prickelnder Aperitif empfiehlt sich der Blanquette de Limoux (AOC seit 1938), ein moussierter Schaumwein, der zu 90 % aus der Rebsorte Mauzac gewonnen wird und während seiner Reifezeit ähnlich wie Champagner gerüttelt wird.

Aber ob der begleitende Tropfen ‚petillant’ [spritzig] für „davor“ oder vollmundig für „dazu“ sein soll, kann später entschieden werden, denn wir bitten nun zu Topfe zum Ur-Rezept des Cassoulet.

Siehe auch: www.confrerieducassoulet.com 


Touristische Infos auch bei
www.audetourisme.com/en/
http://de.destinationsuddefrance.com
ATOUT FRANCE: http://de.rendezvousenfrance.com

Reisebuchtipp: Michael Müller Verlag (www.michael-mueller-verlag.de/de/reisefuehrer/frankreich/languedoc_roussillon/index.html)

Text: Anke Sademann / Fotos: Anke Sademann (1), Paul Palau / Sud de France (3,5) und Fotolia (2,4,6)

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