Im Märchen springt ein „dicker, fetter Pfannkuchen“ aus der heißen Pfanne (Gusseisen ist zu vermuten) und macht sich - kantapper, kantapper - auf kurzen Beinchen stracks davon in die weite Welt. Er entkommt hungrigen Kindern, Katzen, Großvätern, Hähnen, Gänsen und Kühen, bis ihn die List eines Schweines niederstreckt. Alle sind sie gierig auf die sämig-schaumige Köstlichkeit eines in feiner Butter gebräunten Eierkuchens und auf sein schlichtweg betörendes Innenleben. Der Pfannkuchen ist ein Hans-Dampf in allen Pfannen der Welt. Ein Halbgott des Küchen-Olymps. Trost, Labsal, süße Lust verspricht er und evozierte Kindheit wie der wonnige Biss in die madeleine des Marcel Proust.
Eier, Mehl, Milch, Zucker, Salz und Butter - Mehr braucht’s nicht zum Küchenglück.
Das aus Wasser und gemahlenem Getreide in Urzeiten auf heißem Stein hergestellte Fladenbrot könnte die frühe Ausgabe des Pfannkuchens gewesen sein. Bereits die Römer verrührten Milch, Eier und Wasser mit Gewürzen zu nahrhaften Gerichten, das europäische Mittelalter fügte Körnerbrei und Mehl dazu. Die (vermutlich) keltische Panna, eine flache Schüssel, die zur Zubereitung von Teigfladen in einem heißen Ofen diente, war ein Vorläufer unserer heutigen Gusseisenpfanne. Eines der vermutlich frühesten Pfannkuchenrezepte findet sich im Kochbrevier „The English House-Wife“ aus dem Jahr 1660:
„Nimm zwei oder drei Eier und verschlage sie in einer Schüssel. Nimm eine ordentliche Menge Wasser und verschlage alles gründlich. Füge Nelken, Muskatblüte, Zimt und Muskatnuss hinzu und würze mit Salz. Füge nach Belieben Mehl hinzu. Backe die Kuchen so dünn wie möglich in Butter. Serviere sie mit Zucker. Es gibt einige, die die Pfannkuchen mit Milch oder Sahne zubereiten. Das macht sie jedoch zäh und unangenehm und nicht so knusprig und schmackhaft wie mit fließendem Wasser.“
Konsistenz und Geschmacksrichtungen änderten sich noch mehrmals, die Familie derer von und zu Pfannkuch ist genealogisch weit verzweigt. Aber ob nun unter dem Etikett Eierkuchen, Omelett, Palatschinke oder Eierpuffer, ob aus Buchweizen, Kartoffel, Hirse, Kastanien, Maronen oder Weizen - Die Ingredienzien änderten sich kaum. Auch wenn statt Milch mal Buttermilch oder Kefir, Sahne, Bier oder Sodawasser in den Teig gerührt wird, wenn Rosinen, Zitronen- oder Orangenabrieb, Ingwer und Vanille, Kräuter oder Nüsse, Speck oder Blutwurst, Heidelbeeren oder Äpfel die Nuancen bestimmen - der Pfannkuchen bewahrte sein grundanständiges vollmundiges Gesicht. Mal zuckersüß, mal deftig-pikant. Ein idealer Begleiter von morgens bis abends, ein hinreißender Snack.
Quittenpfannkuchen
2 gute Landeier, 125 g Mehl, 250 ml Milch, 1 Prise Rohrohrzucker, 1 Prise Salz, 0,2 l Mineralwasser gut verrühren. Butter auslassen, die Hälfte des Teiges hineingeben, abgetropfte eingekochte Quittenscheiben darauflegen, stocken lassen. Beim Umdrehen ein kleines Stück Butter hineingleiten lassen. Mit Zimtzucker bestreuen. (Varianten: Birnen, Äpfel, Pflaumen, Kirschen, Heidelbeeren) Passt gut: Vanillesauce, Zitronenlikör oder Zitronenschaumcrème (Light-Variante: Vanillejoghurt).
Speckpfannkuchen
150 g Mehl mit Salz mischen, mit einem Schneebesen 1/4 l Milch einrühren. 3 Eigelb unter den Teig heben, 20 Minuten ruhen lassen. Etwas Mineralwasser, Pfeffer, geriebene Zwiebel zufügen. 3 steif geschlagene Eiweiße sehr vorsichtig unter den Teig heben. 125 g Bacon oder rohen Schinken in feine Streifen schneiden, in Butter kross rösten, mit einer Kelle Teig übergießen und auf mittlerer Hitze stocken. Sobald der Teig fest ist, umdrehen und die andere Seite ebenso goldgelb bräunen. Schnittlauch darüber, mit Blattsalat servieren.
Der Holländische Speckpfannkuchen bevorzugt Rübenkraut und einen Hefeteig, der gut ruhen muss, gebacken wird er in Öl und gegessen zur Holländischen Kaffeetafel.
So gelingt der Pfannkuchen locker:
Der globale Snack
In Deutschland finden sich regionale Spielarten, in Altbayern die Bfanakuacha, in Franken den Gestoßenen Pfannkuchen, der in kleine Stücke gerissen wird, in Baden den Käsepfannkuchen. Der Berliner Pfannkuchen hört auch auf die Namen Berliner Ballen oder Krapfen. Flädle wandern in Schwaben und Österreich in die Frittaten- und in Altbayern in die Hochzeitssuppe. Die Lüneburger Heide und die Eifel verwenden reines Buchweizenmehl.
Plinsen aus Sachsen
10 g Hefe in 350 ml Buttermilch auflösen, mit 100 g Weizenmehl (Type 550) verrühren, gehen lassen. 3 Eier verquirlen und mit dem Hefemix, Salz, Vanillezucker und 4 EL in Rum getränkten Rosinen vermischen. In einer antihaftbeschichteten Pfanne oder gebutterten
Eisenpfanne portionsweise ausbacken.
Pfannküchle aus dem Schwarzwald
Aus Mehl, Ei, Milch, Sahne, Olivenöl einen Teig herstellen, mit Salz und Pfeffer würzen. Schwarzwälder Schinken kross braten, mit Teig bedecken und stocken lassen. Auf den noch warmen Pfannkuchen Rucola setzen, der in einer herzhaften Vinaigrette gebadet wurde.
Aber eigentlich ist das nur ein Vorgeschmack angesichts des weltweiten Pfannkuchensegens!
Wie kaum ein anderes Gericht bietet der Pfannkuchen Breitseiten und Angriffsflächen. Eine delikater als die andere.
Pfannkuchen mediterran
Basismischung aus 2 Eiern, 80 g Mehl, 150 ml Milch, Salz und winzigen Basilikumblättchen. In einer leicht geölten Teflon-Pfanne gebacken, gibt ihm zerbröckelter Schafskäse unter dem Grill ein schmelzendes Krönchen. (Alternative: Parmesan, Salbei, getrocknete Tomatenstückchen).
Blinis
10 g Hefe in 1/8 l lauwarmer Milch auflösen. In 250 g Buchweizenmehl in der Mitte eine kleine Mulde bilden, Hefemix hineingießen, vom Rand her verrühren. Gehen lassen.1/3 l Milch mit etwas Zucker und Salz aufkochen. 10 g Butter, 1 Eigelb und abgekühlte Milch zum Buchweizenmehlteig geben, verrühren, weitere 90 Minuten ziehen lassen. In heißem Butterschmalz portionsweise Taler mit 8 cm Durchmesser ausbacken, mit Gürkchen, Dill-Sauerrahm, Kaviar, Zitronenschnitzen servieren.
Französische Eierkuchen
200 g getrocknete, entsteinte Pflaumen und/oder Trockenaprikosen in schwarzem Tee und einem Schuss Armagnac aufkochen, abkühlen. 4 Eigelb mit 200 g Rohrohrzucker schaumig rühren, 150 g Mehl, 1/4 l Milch und 3 EL Rum abwechseln dazugeben und verrühren. 4 Salz steif geschlagene Eiweiße vorsichtig unterheben. Abgetropfte Trockenfrüchte in einer gebutterten Auflaufform verteilen, Teig darüber gießen. Bei 220 Grad im vorgeheizten Ofen 40 Minuten backen. Stürzen, teilen.
Käseschmarren
80 g Emmenthalerraspeln mit 100 g Mehl und Pfeffer vermischen. 3 Eigelbe mit 250 ml Milch verrühren. Käse-Mehlmischung, 2 El Schnittlauch und 3 mit Salz steif geschlagene Eiweiße unterheben. Teig in heißem Butterschmalz bei mittlerer Temperatur braten, wenden, stürzen, weitere drei Minuten rösten. Pfannkuchen mit der Gabel zerrupfen, kurz anrösten, mit 1 EL Käse bestreuen. Mit frischem Blattsalat ein delikates Sommeressen.
Topfen-Palatschinke
50 g fein gewürfelte getrocknete Aprikosen mit 100 ml steifer Sahne vermengen. Mit 500 g Quark, 60 g Zucker, Vanillezucker, 1 Prise Salz, 3 Eigelbe und 20 g Puddingpulver (Vanille) verrühren. Bereits fertige Pfannkuchen dünn mit 2/3 der Masse bestreichen und aufrollen. In Auflaufformen verteilen. Restliche Quarkmasse, 100 ml Sahne und 20 g Zucker verquirlen und darüber gießen. Im vorgeheizten Ofen bei 180 Grad 20 Minuten backen.
Pikelets
100 g Weizenmehl, 50 g Speisestärke, 1 EL Zucker, 0,5 Tl Backpulver mischen. Mit 175 ml Milch und 30 g Butter zu einem glatten Teig vermengen. 20 Minuten kalt stellen. Heidelbeeren verlesen und waschen. Kleine Pfannkuchen ausbacken, jeweils 1 EL Beeren auf dem noch weichen Teig einsinken lassen. Noch einmal langsam von jeder Seite backen. Mit Lemon Curd (Creme aus Eiern, Zitronensaft und -schale, Zucker, Butter) servieren.
Italienische Crespelle
Aus 150 g Weizenmehl, 150 ml Milch, 100 ml Mineralwasser, 100 g Hartweizenmehl und 2 Eiern Teig bilden. Dünne Pfannkuchen ausbacken, auskühlen. 600 g Kürbis entkernen, im Ofen garen, pürieren. 2 Eigelb im Wasserbad schaumig rühren, 100 ml Wein, 1 EL frischer Thymian, 2 EL Parmesan und 2 EL Olivenöl verrühren und mit dem Kürbismus vermischen. 400 g Gänseleber in Scheiben schneiden, kurz anbraten. Pfannkuchen mit dem Mus und den Gänseleberscheiben füllen, aufrollen, in einer Auflaufform schichten, Butterflocken und Parmesan darüber streuen und 10 Minuten bei 180 Grad backen.
Ukrainische Solosthenik
10 Eigelb, 200 g Butter, 75 g Zucker, 200 ml Milch und Zitronenabrieb schaumig rühren. Mit 175 g Mehl zu glattem Teig verrühren. 5 Eiweiße steif unterheben. 6 Eierkuchen ausbacken. Butter und Zucker in einer Gusseisenpfanne karamelisieren lassen. 500 g geviertelte Äpfel darin durchschwenken, in die Pfannkuchen füllen. Mit Schnee von 5 Eiweißen übergießen, im Ofen bei 200 Grad überbacken.
Nicht nur zu Rosenmontag: Der Faschingskrapfen oder Berliner Pfannkuchen
An Silvester und zum Karneval kullern sie vom Backblech, kugelrund, fettig, den Hefeteig-Wanst prall gefüllt mit Erdbeermarmelade, Pflaumenmus oder Hagebuttenmark, Marillenkonfitüre, Eierlikör-, Nougat- oder Vanillecreme. Gepudert, mit Prasselzucker bestreut, unter einer Schokohaube oder mit Zuckerguss verschwenderisch übergossen - eine Delikatesse über alle Grenzen hinweg.
Seine Geburt verdankt der Berliner Pfannkuchen der Legende nach einem Zuckerbäcker, der in der Armee des Großen Friedrich diente. Dort buk er die ersten Hefeballen in einem mit heißem Fett gefüllten Kessel über offenem Feuer aus. Berliner kommen nie allein, sondern zeigen sich stark vermehrungsbedürftig. Hierzulande treten sie als Kreppel, Berliner Ballen, Pfannkuchen, Krapfen, Fastnachtsküchle oder Puffel auf.
Auch das Ausland verleibt sich „unsere“ Berliner Pfannkuchen gerne ein. In Finnland heißen sie Hillomukki (Marmeladen-Mönch), in Norwegen Berlinboller, Belgien und Frankreich nennen sie Boule de Berlin, Italien Bomboloni, Polen Paczki, Portugal Bolas de Berlim. Von der Slowakei bis nach Russland und Griechenland, in Brasilien (Sonho), Chile (Berlines), Israel, auf Hawaii (Malasadas) und den Fidjis schwer beliebt, machen die USA eine Ausnahme. Einzig die Donuts in ihrer viereckigen Form als „Bismarck“ oder „Long John“ erinnern an unseren knuddeligen Berliner.
Unser preußischer Kanonier könnte nicht der erste gewesen sein: Bereits die alten Römer delektierten sich an einem mit Honig bestrichenen Schmalzgebäck namens Globuli (wohl kaum in homöopathischer Dosierung) und die alten Ägypter fügten Krapfen den Grabgaben ihrer Verstorbenen bei. Futter für’s Jenseits.
So weit wollen wir nicht vorausdenken. Beißen wir einfach mutig und genussbereit in einen Berliner, wohl wissend, dass manche Scherzkekse die Fastnachtskrapfen gerne mal mit rattenscharfem Senf (oder Rizinusöl) füllen.
Text: Sigrid Jo Gruner/ KochForm