Zu Gast im kulinarisches Südwesten diesseits und jenseits des Rheins
Man könnte sie in einem Atemzug nennen, die Badische und die Elsässische Küche, denn sie sind genealogisch gesehen mindestens Halbschwestern. Und Zwillinge beim kulinarischen Sternenregen, der regelmäßig auf beide niedergeht. In Deutschland unten links, dort sitzen die Kronjuwelen der Landesküche in badischen Gasthäusern, Gourmetrestaurants und Weinstuben. Aber ein wenig stibitzt hat sie dann doch von der Region jenseits des Rheins, in der die französische Cuisine Lehrmeister war und ist. Auch von der Schweiz, von Österreich und Bayern ist der eine oder andere Leckerbissen herübergeschmeckt.
Vorspann: Schwäbische Küche
Auch wenn die schwäbische Küche in den einzelnen Regionen unterschiedliche Spielarten ausgebildet hat – das katholische Oberschwaben etwa lebt üppiger als das pietistisch geprägte Alt-Württemberg - , fußt sie traditionell auf einer „Arme-Leute-Küche“. Sie bescheidet sich neben wenigen Fleischgerichten wie Zwiebelrost- und Lammbraten, Weißen Kutteln oder Sauren Nieren mit Mehlspeisen, Kartoffelgerichten und Teigwaren (Spätzle, Schupfnudeln, Pfannkuchen, Maultaschen, Flädle, Hefeknödel, Schmarrn, Quiches), was eine durchaus delikate Angelegenheit sein kann,
Schupfnudeln mit Kraut geschmälzt bieten sich als ein deftiger Imbiss für unterwegs an. Saitenwürste oder Rauchfleisch geben ihnen eine besondere Weihe. Spätzle mit Linsen bunkern neben wichtigen Kohlenhydraten pures Pflanzenprotein und machen richtig schön satt. In den Schwäbischen Wurstsalat werden Fleisch- und Blutwurst oder Leberkäse geschnippelt und mit einer Zwiebel-Gurken-Schnittlauch-Vinaigrette gewürzt. Beim Zwiebel- und Flammkuchen nähern sich auch die Schwaben dem Elsass an, unter Zugabe von Kümmel und Petersilie. Gewitzt erfanden sie als Gegenpol zum fleischlosen Fasten die Hergottsbescheißerle (Maultaschen), in deren Füllungen so manche Fleischeinlage vor dem unerbittlichen Blick des Himmels versteckt wird. Der dazu verzehrte Kartoffelsalat ist wieder (fast) rein pflanzlich. Spätzle kokettieren in herzhaften Verbindungen mit Käse, Spinat, Leber oder Wurst, hier und da auch im süßen Kontext.
Schwäbischer Kartoffelsalat
Geschälte, geschnittene Salatkartoffeln mit feingewürfelten Zwiebeln mischen, zunächst mit warmer Fleischbrühe, dann mit Essig und Öl begießen, gut ziehen lassen. Wichtig ist die Konsistenz. Der Salat muss „schwätze“ (sonst wäre er ja auch kein schwäbischer!) beim Umrühren. Senf, Salz, Pfeffer, Schnittlauch dazu – fertig ist die kleine Delikatesse. Speck, Mayo oder sonstige Verfeinerungen haben hierin nichts verloren. Fabelhaft mit gebackenen Bodenseefelchen.
Elsass/Baden – was hat die eine Küche was die andere auch kann?
Über die Jahrhunderte ging es zwischen den beiden Landstrichen politisch hin und her, Zeiten von Souveränität lösten Annexionen und Unabhängigkeiten ab, Staatsformen, Grenzziehungen, Herrschafts- und Größenverhältnisse wechselten mehrmals. Da verwundert nicht, dass sich vieles vermischte und gegenseitig befruchtete. Und das ist auch gut so! Wir würden diese Küche vermissen, die sich in ihrer Bodenständigkeit deutsch und in ihrer Raffinesse französisch gibt. Damit bedienen wir zwar ein gängiges Klischee – aber hier beweist es sich einmal wie von selbst.
Tafeln bilingual
Essen gehen ist im Elsass und in Baden eine der schönsten Freizeitbeschäftigungen; man trifft sich mit Familie, Freunden und Geschäftsleuten neben dem offenen Kamin in den stimmungsvollen gastlichen Häusern, mit denen beide Regionen reich gesegnet sind. Dabei muss es nicht immer das Gourmetrestaurant sein, das den Gaumen kitzelt. Überall bestellt man in landestypischen Restaurants mittags ein vergleichsweise preisgünstiges, aber durchaus ordentliches Tagesgericht, das menu du jour oder französische Klassiker wie steak au poivre, soupe à l’oignon oder cote d’agneau à la provencale.
Auch in der Brasserie, im Bistro oder - nachmittags – im Salon du Thé ist der kleinere Appetit gut aufgehoben. Eine elsässische Trouvaille sind die urigen Winstubs (auch Wistubs), die sich aus Weinprobierstuben zu veritablen Gaststätten gemausert haben. Hier gönnt man sich zum Riesling, Pinot oder Edelzwicker Linsensalat mit Schweinebäckchen, Blutwurst mit Apfelkompott oder Paté au croute maison (Blätterteigpastete mit Hasen-, Hirsch- oder Kalbfleisch).
Für das Baeckeoffe existieren vermutlich so viele Rezeptvarianten wie Orte im Elsass. Ursprünglich bezeichnet es einen montäglichen Resteverwerter, der die Rückbleibsel des Sonntagsmahls zu einem eigenständigen Gericht verarbeitete.
Grundrezept: Elsässisches Baeckeoffa
Mit einem gehobenen Preisniveau muss man in ganz Elsass und Baden rechnen. Hohe Produktqualität, Küchenkunst und Ambiente haben nun mal ihren Preis. Günstiger, noch origineller und üppiger portioniert speist man in den typischen Berggasthöfen, den Ferme-Auberges der Vogesen. Die traditionelle Melkersmahlzeit (menu marcaire) bietet in vier Gänge Bodenständiges und Traditionelles: Von einer kräftigen Suppe über eine tourte de vallée (Fleischpastete) und einen geschmorten Fleischtopf mit Roigenbrageldi (Bratkartoffeln) geht’s munter über zu einem ordentlichen Stück Munster oder einer Tarte aus Früchten, die es in beiden Regionen in Hülle und Fülle gibt: Heidel- oder Himbeeren, Kirschen, Pflaumen, Mirabellen, Quitten, Birnen, Äpfel. Müde Wanderer genehmigen sich beim Boxenstopp einen Muntermacher: Jungen rotschmierigen Munsterkäse, mit Zucker bestreut und mit ordentlich Kirschwasser übergossen.
Nichts für Fettkalorienzähler!
Vom Agneau pascal (Osterlämmele) bis Süri Nierle, von Charcuterie bis Presskopf und Ziwelkueche, Escargots bis Pot au feu, Choucroute bis Weinachtsbredle macht ein Mikrokosmos an Spezialitäten und Traditionsgerichten die Wahl zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Unbedingt kosten sollte man das elsässische Gegenstück zur Maultasche, geschmackige Schniederspaetle mit Salat oder Sauerkraut.
Elsässer Rehkeule
Auch beim Fisch ist man sich einig: In der elsässischen Matelote schwimmen bis zu 6 verschiedene Sorten von Frisch- und Räucherfischfilets in einer flaumigen Rieslingsauce. Hechtklößchen, Truite aux amandes, Carpe frite, Aal, Zander und Lachs sind zweisprachig, das legendäre Lachssoufflé der Haeberlins in Illhäusern eine Legende.
Einfache Variante der Matelote
Elsässische Eleganz & badische Originalität
Ach Baden, du hast es besser. Das mildestes Klima des Landes, satte Ackerböden, die rauschenden Tannen, das klare Wasser und die saubere Luft des Schwarzwalds und die Nähe zu Frankreichs Gourmetküche! Obst, Gemüse, Wein, selbst Tabak gedeihen hier – so scheint es - wie von selbst. Die badische Küche kann sich aalen in hochwertigen Zutaten und Ingredienzien, Kräutern, Wild, Geflügel, Fisch, Lamm, Spargel, Maroni, feinen Weinen, Bieren, Obstbränden und Säften aus regionaler Produktion, formidablen Teigwaren und Süßspeisen.
Auf badischen Wirtshaustellern kommt einem so manches aus dem Elsass bekannt vor – Landjäger, Bibbeliskäs, Schäufele, Käsespätzle, Eierkuchen, Flammkuchen, Kassler, Brägeli, Brezel, Chnöpfli, Metzelsupp, Maultausch und Rehrücken. Ofeschlupfer, Kirschenplotzer, Schwarzwälder Kirsch, Wähe und Scheiterhaufen schlecken auch die Genießer-Nachbarn gerne. Brüder im Genuss – Baden und Elsass.
Badisches Schäufele
Badisches Rehgulasch
Jetzt geht’s ans Eingelegte!
Der Streifzug durch die benachbarten Küchen wäre unvollkommen, käme das Sauerkraut nicht zu seinem Recht. Im Elsass ist es zuhause, seit die Hunnen es aus China nach Europa einschleppten und hier schmeckt es vermutlich auch am besten!
Eine Choucroute garnie ist ein grand plat, eine wirklich große Platte voller Geschmackssensationen mit einer Hauptperson, dem Sürkrüt.
Sürkrüt geht auch nobel
Champagnerkraut zu pochiertem Edelfisch mit beurre blanc wird zu guter Letzt mit einem Glas Champagner begossen, demselben, der auch im Glas perlt. Starköchin Lea Linster gart - wie die Köche im Badischen - Fleisch, Wurst, Haxe und Schweinsfuß gerne direkt im Kraut, alles in einem Topf. Ihr Favorit: Ferkel!
Choucroute mit gepökeltem Ferkelfleisch
Aus Schulter, Nacken, Keule 5-6 cm große Würfel schneiden, in einem Mix aus 100 g grobem Meersalz, zerstoßenen Pfefferkörnern, Zucker und geschnitten Schalotten wälzen, mit Lorbeer und Thymian 1-2 Tage im Kühlschrank ziehen lassen. Das gewaschene Pökelfleisch zusammen mit dem Sauerkraut genussfertig garen. Nicht an Riesling oder Pinot blanc sparen!
Et alors – wir können auch süß!
Der Kougelhopf, Liebling aller Elsässer, der luftig-locker-leicht mit in Kirschwasser eingelegten Rosinen und Mandeln protzt, kam mit Marie Antoinette ins Land. Als immer präsentables
Dessert macht er sich mit einem Glas Riesling oder Gewürztraminer hervorragend. Als Glacé kommt er eiskalt daher mit eingelegten und kandierten Früchten. Begleiten ihn Iles flottantes (Eischneehäufchen auf Vanillesauce), Parfait de quetsches (Pflaumen-Halbgefrorenes), Soufflé au Kirsch oder Sorbet au citron avec marc de Gewuerztraminer oder zu Aller Ekstase gar ein Vacharin glacé (Eistorte Himbeer/Vanille mit Baisers und Sahne) – dann ist man endgültig im elsässisch/badischen Gourmethimmel angelangt.
Bon appétit – Ä Guede – E Gueter!
Text: Sigrid Jo Gruner/MissWord!