Hephaistos’ Erben
Das Feuer entzündete die menschliche Zivilisation. Als eines der vier Naturelemente wird es noch heute in der Walpurgis- oder Johannisnacht rituell verehrt, ein Feuer im Freien verspricht Abenteuer und Wildnis, der Gartengrill ist eine domestizierte Version des mythischen Vulkans, den Hephaistos entfachte. Als altgriechischer Gott des Feuers, der Schmiedekunst und der Architektur gehörten Schmiedehammer, Zange, Beil und Pilos zu seinen Insignien.
Noch heute finden sich Handwerker, die nach traditioneller Art Waffen und Küchengerät aus einem Stück schmieden. Hellebarde und Speer benötigt der Normalmann des 21. Jahrhunderts eher selten, doch die Eisenpfanne liegt ihm gut in der zupackenden Hand. Einer neueren Studie zufolge finden Frauen einen Mann, der kochen kann, sexy und attraktiver als seine kochlöffelverweigernden Geschlechtsgenossen.
"Fett macht fett" = eine Formel, die sich überholt hat
Dass Fett in der menschlichen Evolution eine herausragende Rolle spielt, wird heute niemand bestreiten. In den Jahrzehnten der Fett-Verteufelung, die den Wohlstandsjahren folgten, gelang es aber der antihaftbeschichteten Diätpfanne, die altbewährten, heiß geliebten und mit zunehmender Lebensdauer hübsch patinierten Eisenpfannen, mit denen die Großmutter und deren Ahnin schon brieten, aus der Küche zu verdrängen.
Heute ist man schlauer geworden und weiß, dass Fett differenzierter betrachtet werden muss. Unser Stoffwechsel benötigt die "guten Fettsäuren", um langfristig wie geölt zu funktionieren und gesunde Fette wie hochwertige kaltgepresste Pflanzenöle (aus Sesam, Olive, Kokos, Leinsamen, Hanf, Erdnuss, Kürbiskern oder Distel) machen die Aufnahme fettlöslicher Vitamine erst möglich, sie sind wichtig für die Funktion der Hormone und Enzyme, fördern ein natürliches Sättigungsgefühl, und unser Gehirn findet sie unverzichtbar.
Für das Braten mit hohen Temperaturen sind allerdings nicht alle kaltgepressten Pflanzenöle gleich gut geeignet. Wenn 180 Gad Celcius nicht überschritten werden, dann eignen sich z.B. Olivenöl oder Rapsöl sehr gut zum Braten. Bei höheren Temperaturen empfehlen wir Erdnußöl.
Großmutters Eisenpfanne - zurück zum Wesentlichen
Daher verwundert nicht, dass die gute alte Eisenpfanne längst in die moderne Küche zurückgekehrt ist und fröhliche Auferstehung feiert. Im Mittelalter, als in der Küche nur eine einzige Feuerstelle brannte, auf der alle Mahlzeiten in einem Topf zubereitet oder direkt ins Feuer gestellt wurden, musste das Kochgerät hohen Anforderungen genügen. Eine hochwertige kalt- oder warmgeschmiedete Eisenpfanne verfügt auch heute über Vorzüge, die sie unschlagbar machen: hohe Lebensdauer, hervorragende Hitze-Leitfähigkeit und dadurch geringerer Energieverbrauch, das Bratgut bleibt in Saft und Kraft, und Liebhaber einer krossen Kruste schätzen die aromatischen Röststoffe, die sich in keiner anderen Pfanne so üppig entwickeln. Jede geschmiedete Pfanne ist ein Unikat, dessen ehrliche, bodenständige und noble Erscheinungsform jeden Koch, der das Echte, Wahre liebt, beflügelt.
Ein Mann, ein Steak
Eisenpfannen sind weit verbreitet bei den Profis in der Gastronomie, Kenner schätzen ihre handfeste, schnörkellose Gradlinigkeit. So verwundert nicht, dass Eisenpfannen sich besonders für Kurzgebratenes und Bratkartoffeln eignen, Gerichte, die gerade von Küchen-Cowboys heißgeliebt werden und bei deren Zubereitung es zischt, brutzelt und raucht, und heißes Fett sich schon mal in überschäumender Begeisterung über den Daumen gießt. Ein Mann hält das aus - nichts für Zartbesaitete!
Tipps für kurze, perfekte Bratenstücke:
Jedem Mann sein Bratkartoffelverhältnis
Bratkartoffelverhältnisse entstanden im Ersten Weltkrieg aus der Not heraus - Zweckbeziehungen, in denen es rein um die Versorgung mit einem Magen wärmenden Essen, weniger um die Seelenwärme ging. Schon vor Heinz Rühmanns spätem Oberprimaner, der von seiner Zimmerwirtin zum Frühstück mit Bratkartoffeln genudelt wird, hatte sie ihr Fett wegbekommen - die Bratkartoffel als Seelentröster in jeder Kindheit, im Rang vergleichbar dem Vanillepudding und Eierkuchen, verliert auch in erwachsenen Frustfällen nichts von ihrer Wirkung und ist einer Tüte Chips oder Erdnussflips bei weitem vorzuziehen.
Ob man Bratkartoffeln aus gekochten oder rohen Kartoffeln zubereitet, ist Geschmackssache, nur (vorwiegend) fest kochend sollten sie sein. Die Ei-senpfanne im Haus garantiert knusprige, rösche Ergebnisse. Gut harmoniert die Bratkartoffel mit Kümmel, Edelpaprika, Majoran und Zwiebel, magerer Speck (vorwiegend luftgetrocknet) oder geschnibbelte Mettendchen kitzeln mit würzigen Röststoffen die Geschmacksknospen. Man genießt Bratkartoffeln pur oder mit Spiegeleiern, Bratwurst und Kümmelkotelett, als Beilage zu Spießbraten und Blutwurst, Kräuterquark, kaltem Roastbeef (Remoulade nicht vergessen!) oder Kalbskopfsülze. Komplettiert mit allerlei Resten aus Fleisch, Wurst, Gemüse, komponiert als Kartoffeltopf oder Bauernschmaus, als Bratkartoffelkügelchen zu Jakobsmuscheln oder Kartoffelstroh zur Ente - sie sind ein Gericht für alle Lebenslagen.
Lieblingsgerichte aus der Eisenpfanne
Bratkartoffeln wie wir sie lieben
1 kg erkaltete, gekochte und gepellte Kartoffeln in 0,5 cm dicke Scheiben schneiden. 125 g Butterschmalz in der Pfanne erhitzen, Boden mit den Kartoffelscheiben auslegen (nicht mehr als eine Lage), bei mittlerer Hitze gold-braun braten, wenden, same procedure. 4,5 Schalotten und 100 g Schinkenspeck würfeln, 4 Minuten mitbraten lassen, dabei öfters schwenken. Salzen, pfeffern, mit Petersilie und/oder Dill bestreuen. Wer das Fettvolumen nicht scheut, gibt ein, zwei EL gebräunte Butter darüber!
Bratkartoffeln mediterran
Grundrezept wie oben, aber anstatt Speck und Butter verwendet man ge-schnittenen Parmaschinken, 50 g getrocknete Tomaten, 50 g entsteinte schwarze Oliven, frischen Thymian, Knoblauch und Basilikum. Gebraten wird mit Olivenöl.
Berliner Bratkartoffeln (aus rohen Kartoffeln)
In Pflanzenmargarine oder Butterschmalz gewürfelten Speck (Menge nach Gusto) und eine große rote geschnittene Zwiebel braten, dünne und halbierte Kartoffelscheiben in Mehl wenden, dazu geben und ca. 20 Minuten bei geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze anbraten. Ab und zu wenden. Gewürzt wird mit Salz, frischem weißem Pfeffer und Rosenpaprika.
Ofenkartöffelchen
Rohe Kartoffeln und feste Äpfel in Würfel schneiden, Schwarte vom Kassler Rippenspeer entfernen, nicht zu klein würfeln. Alles im Rohr auf ein Back-blech verteilen, Rosmarinnadeln darüber streuen, bei 160 Grad Umluft 30 Minuten backen. Kartoffeln müssen goldbraun und knusprig sein, der Speck sollte sich zu Krüstchen entwickelt haben. Salz, Pfeffer, Muskat darüber reiben bzw. mahlen.
Bratkartoffeln orientalisch
In 100 g Butter oder Ghee gewürfelten frischen Ingwer, je 1 El Senfkörner, Kurkuma, Cumin, Garam Masala, Chilipulver und eine feingehackte grüne Chilischote heiß anschwitzen, Gekochte Kartoffelwürfel dazu geben und braten, bis die Gewürze alles umhüllt haben.
Gehackte Korianderblätter geben Farbtupfer, ein Spritzer Limone Frische, ein Hauch brauner Zucker den richtigen Schmelz. Wer es sämig mag, rührt ein paar El Kokosmilch unter und würzt kräftig nach. Dazu passen Rühreier, Garnelen, Hühnchen, Fisch.
Bratkartoffel à la grand-mère
Blutwurst in dicke Scheiben schneiden und vierteln. Gepellte und gewürfelte Kartoffeln mit Speckwürfeln und Schalöttchen in heißem Gänseschmalz ausbraten. Sobald sie eine goldgelbe Farbe erreicht haben, die Blutwurstviertel mitbraten, mit Salz, schwarzem Pfeffer aus der Pfeffermühle, Majoran oder Thymian würzen. Wer mag, reicht Linsen dazu oder ein kleines Omelett. Rheinländer bevorzugen dazu Apfelkompott.
Rezepte mit gebratenen Erdäpfeln sind mittlerweile Legion. Jeder kann sich seine ureigene Variante erkochen.
Wir wünschen viel Koch-Spaß!
Text: S. J. Gruner/ KochForm