American Sweethearts – Liebesgedichte aus Zucker, Butter und Mehl
Sie hat uns den Double Cheeseburger beschert, Baked Beans und Tabasco, Hot Dog und Erdnussbutter – aber auch Bagel, Brownie, Cupcake und Doughnut. Die amerikanische Multikulti-Küche ist eine Entdeckung wert. Chocoholics, Leckermäulchen und Coffee-to-go-Afficinados lieben vor allem das amerikanische Backwerk. Und die Fans werden täglich mehr. Was haben American Cookies in ihrem teigigen Innern, was unser heimisches Gebäck nicht hat?
Ein Brownie, Cookie, Donut oder Cupcake kommt nie alleine!
Eine Warnung vorweg – das Gebäck im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist auch unbegrenzt zuckerschwer. Aus den Staaten importierte Rezepte sollte man der Zuckertoleranz der europäischen Zunge anpassen. Alternativen zum inhaltslosen kalorienreichen Industriezucker bieten Ahornsirup, Agaven- oder Birnendicksaft, Rohrohrzucker, Honig. Auch Rübensirup oder Stevia (na ja). Form und Aussehen sehen heute noch so aus wie man sich die Backwunder der Gründerväter in New England eben so vorstellt, aber an Vielfalt und Wohlgeschmack sind sie ganz und gar Neuzeit. Auch wenn viele Rezepte – wie der lockerleichte Angel Food Cake, ein Gugelhupf aus Mehl, Zucker, Butter, geschlagenem Eiweiß – bereits im 18. Jahrhundert Begeisterung auslösten.
Chocolat-Coconut-Whoopies with Freshcheese-Raspberry-Filling
Alternative Füllungen: Ricotta-Vanille-Zitrone oder Mascarpone-Pistazien-Mango.
Hinein in Uncle Sams Kuchenparadies
Einmal sich fühlen wie Tim Burtons Filmkid Charlie („Charlie und die Schokoladenfabrik“), der in der Schokoladenfabrik des Willy Wonka in einer surrealen Süßigkeiten-Welt an Schokoladenwasserfällen, Marsh Mallow-Gebirgen und Lolly-Bäumen nascht. Bagel, Brownie, Cookie, Cup-Cake, Cake-Pop, Muffin, Pie oder Cheesecake – sie stehen auch für eine neue Welt der Kuchen-Quanten-Teilchen. In New York sind die Mischformen stark im Kommen, Hybrid-Food wie Bruffin, Cronut, Bagel-Brownies oder Whoopie-Cheesecakes und Zwitter-Snacks wie der Cornut – eine ebenso köstliche wie mutige Kreuzung aus dem französischen Croissant und dem amerikanischen Alleskönner Donut.
Brownies kommen ohne Backpulver gebacken und verfeinert mit Nüssen, Espressopulver, Kokosflocken, geriebenen Mandeln oder mini-gehackten Trockenaprikosen direkt aus dem Schokoladenhimmel. Eine opulente Glasur aus Schoko und Butter hält die braune Schnitte schön saftig. Kalorienärmer geht’s mit Schokoladen- oder Zimtpulver. Schön farbig: Deko aus Blaubeeren, getrockneten Kirschen und/oder kandierten Veilchen.
Grundrezept Brownie
Bei „Hummingbird“, der ganz in Rosa getauchten Bakery auf Londons Portobello Road ist die Spezialität klar: Muffins/Cupcakes mit – natürlich – pinkfarbiger Glasur, die mit Liebesperlen, Zuckerblüten, Dragee-Schmetterlingen, frischen Blümchen und anderem Schnickschnack dekoriert werden. Auch kakaoschwere Schoko-Brownies und 5-lagige Doppeldecker in quietschbunten Farben suchen hier nicht lange nach Abnehmern. Was nach Kindergeburtstag anmutet, landet schließlich in den Marken-Shoppingbags von soignierten Gentlemen und Ladies jeder Altersstufe. Sündhaft süß und verführerisch als Trost für jeden Tag, der misslungen ist oder um die zu feiern, die richtig gut waren! Marshmallow Fluff – ein Brotaufstrich aus den flockigen Mini-Zuckerkissen - wird man zum Nachbacken in deutschen Supermärkten seltener finden, jedoch im gut sortierten Online-Fachhandel. Backbuchtipp: „Süße Sünden“ im Kindersley Verlag.
Cookies sind im Kern weich und fluffig, aussen kross, XXL, fingerdick, schokoladeschwanger, erdnussbutterig, opulent nussig. Kalorien zählen hat Pause.
Grundrezept Cookies
Cakes & Pies
Auch bei uns duften sie uns entgegen in kleinen, feinen Kaffeeröstereien, amerikanischen Konditoreien oder Coffee-Shops. Angesagte Adressen wie in Berlin das „Barcomi*s,“ das hippe Neuköllner „Blue Kat“, „Princess Cheesecake“ in der Tucholskystraße oder das Wiener „Pure Living Bakery“ könnten zwangsläufig nicht alle Bakery-Fans versorgen. Aber auch der Online-Handel hält all die schönen Sachen vor: Apple Pie, Apple Walnut Caramel Cake, Blueberry Cheesecake, Brownie Marble Cheesecake, Carrot Cake, Chocolate Espresso Cheesecake, Marble Walnut Cake, Pumpkin oder Pecan Pie.
Solide im Aussehen wollen sie nicht mehr scheinen als sein und schmecken really delicious, dear! Ihre Zutaten kitzeln die Zunge: Der Devil’s Food Cake etwa ist purer Zartbitterschoko-Teig, getoppt mit einer Schokoladenbuttercreme, der Raspberry Ganache Cake entfaltet zwischen vier feinsten Schoko-Biskuitlagen ein pinkrosa Himbeerpüree und ist mit einer Sahne-Trüffel-Lackierung umkleidet. Berry & Apple Crisp ist der eher schlichte Name für eine beerige Sünde aus gleichermaßen saftigem wie krossem Streuselkuchen, der mit Äpfeln, Kirschen und Brombeeren gemästet wurde. Wer in den von Möhren, Zimt, Walnüssen, Rosinen nur so strotzenden Carrott Cake beißen will, muss erst einen krossen Mantel aus Frischkäse, Puderzucker und Sahne knacken.
Cheesecake, der amerikanische Dessert-Klassiker, ist auch in der Lemon- oder Raspberry-Variante unschlagbar und so typisch New York wie sonst nur noch Miss Liberty. Sein Naturell ist ein völlig anderes als unsere braven Käsekuchen, die mit (nicht selten pappigem) Quark und Schichtkäse gefüllt, kaum mit der hauchzart-lockeren Füllung des amerikanischen Bruders mithalten. Zwischen einem feinen Biskuitsockel und erfrischenden Schichten aus Zitrone und Beeren entfaltet sich ein sensationeller Geschmackskitzel. Verantwortlich für die Konsistenz sind Frischkäse, Sauerrahm, Ricotta oder glatt gerührter Hüttenkäse – Quark? No, Sir. In den Staaten gänzlich unbekannt. Etwas eingedeutscht enthält der Cheesecake in unseren Breiten Sahnequark, Gelatine, Zitrone und Puderzucker. Varianten gibt’s in allen uramerikanischen Flavours – Vanille-Trüffel, Ahornsirup, Walnuss, Apricot, Lemon Curd, Erdnussbutter und Cranberry. Die genderübergreifende Variante kokettiert mit einem Tortenboden aus Brownie-Teig, einer fluffigen Frischkäsefüllung und üppiger Karamell- und Schokosauce obenauf.
Pumpkin Pie Cheesecake
Ein typisches Karfreitags-Backwerk, die Hot Cross Buns, oder ihre Spielart, die Chelsea Buns (nicht zu verwechseln mit den Jelly Beans), ist mit Hefeschnecke nur unzureichend beschrieben. Außen Hefeteig und ein Guss aus Aprikosenmarmelade und Puderzucker, innen eine fulminante Füllung aus getrockneten Früchten, braunem Zucker, Butter, Zimt. Frisch genossen fast so gut wie ein Liebesgedicht von Keats. Ihr Name bezieht sich auf das Bun House in Chelsea, das im 18./19. Jahrhundert auch den Königlichen Haushalt belieferte.
Doughnuts oder Donuts passen immer. Mit reichlich Kaffee, Tee oder pur, noch warm aus der Hand! Mmh!
Zugegeben, die Dosierung nach Tassen ist ein wenig vage – 17 Tassen Mehl klingt nach einer Menge Donuts! Bei geringerem Bedarf reduzieren.
Muffins wurden Mitte des 19. Jahrhunderts aus England in die Neue Welt verschleppt, dort wurde aus Hefeteig Rührteig. Im Vereinigten Königsreich versteht man heute flache Toasts darunter während sie in den Staaten zum Sinnbild für amerikanisches Gebäck schlechthin wurden. Muffins in allen denkbaren delikaten Varianten - Limette, Banane, Schoko, Zimt, Kardamon, Preiselbeere, Apfel, Nuss, aber auch mit herzhafter Lachsnote – sind etwas für den ganz fixen Genuss. Selbst in der verwöhnten Schweiz mit ihrem Monopol auf exzellente Süßwaren treffen die amerikanischen Sweethearts auf einen unglaublichen Boom, verfeinert mit einer hochfeinen Ganache aus Schoggi, Rahm, Fruchtsirup, Spritzer Obstwässerli.
Basisrezept Muffin/Cupcake
Muffins Captain Blaubeer
Witziger Partygag: Cake-Pops! Rührteig-Frischkäse-Kugeln, die mit einer knallbunten Glasur überzogen, mit einem Gesicht versehen und auf einen Lolli-Stick gespießt werden.
Scones: Very british! Kein High Tea ohne den Nüstern blähenden Duft frisch gebackener Scones! Ähnlich wie Muffins essenzieller Bestandteil der angelsächsischen Backkultur. Da sie von jeher etwas trocken sind, tunkt man sie in Clotted Cream und Strawberry Jam (oder Lemon curd).
Scones traditionell
„Sunny side up, over easy oder scrambled?“
So kennen wir’s aus dem Kintopp: Der Sheriff wirft seinen Colt auf die Theke, die Barmaid eilt mit der dampfenden Kaffeekanne herbei und der Koch legt seine Eisenpfanne mit einer Extra-Lage Bacon aus. Ein richtiges Frühstück, das seinen Mann ernährt, besteht in den USA aus Würsten, Schinken, Speck, Eiern und Bratkartoffeln, Haferflocken, Pancakes mit Ahornsirup oder Marmelade, Muffins und Pagels. Die Frage ist nur: Rührei oder Spiegelei auf einer oder beiden Seiten gebraten? Heruntergespült wird alles mit massenhaft Kaffee, Tee, O-Saft.
Als Tourist frühstückt man am besten im Coffeeshop, Bistro oder Bagel-Shop, entlang den Interstate-Highways bei Burger King oder in den Trucker-Raststätten. Ein echtes Südstaaten-Frühstück ergänzt diese Auswahl noch mit Hash-Browns (gebratener Speck mit Mehl und Milch verbacken), Tomaten und Biscuits.
Im Bagel-Shop versorgen sich Frühaufsteher, die ihre mit Frischkäse, Honig-Senf, Schnittlauch und Roastbeef gefüllten Bagels für einen optimalen Tagesbeginn so dringend benötigen wie andere eine Dusche. Der Bagel, Pegel oder Beigel stammt jüdischen Quellhinweisen nach aus Mittel- oder Osteuropa und fand nach seinem ersten Auftauchen um 1610 erst zwei Jahrhunderte später seinen Weg über den Atlantik. Ein Beigel New York Syle aus Mehl, Wasser, Hefe, Malz und Salz wird gerne mit Mohn, Sesam, Rosinen oder Zimt veredelt.
Super zum amerikanischen Frühstück: Käse-Zucchini- Muffins
So long! Wir sehen uns im Coffeeshop?
Text: Sigrid Jo Gruner, MissWord!