Die Marmelade und ihre zuckrigen Geschwister.
Irgendwie sind wir ja alle Sammler. Einen Vorrat an guten Sachen zu besitzen, macht glücklich und gefeit gegen schlechte Zeiten. Aber wer nennt heute noch eine Speisekammer sein Eigen, in der Speckseite, Geräuchertes und Schinkenmettwurst von der Decke baumeln und aus den Vorratsgläsern neben grasgrünen Gürkchen und eingelegten Dillmatjes Einmach-Pfirsiche und zuckerschwere Erdbeermarmelade lachen? Eine Ecke im kühlen Keller oder Speicher, eine Nische im (ungeheizten) Schlafzimmer findet sich sicher. Selbst-eingekochte Konfitüre ist ein Labsal.
Die Marmelade - ein Kuckucksei?
Warum fällt das Marmeladenbrot eigentlich immer auf die bestrichene Seite? Murphys Law oder einfach nur die Laune der Schwerkraft? Ausdruck einer unverhohlenen Gier, die uns unvorsichtig werden lässt? Denn der Deutschen Liebe zum Marmeladenbrot ist ungebrochen, auch wenn die wenigsten wissen, dass sie nicht Marmelade, sondern Konfitüre auf die Semmel tropfen lassen und Marmelade kein Fruchtaufstrich oder Gelee und Konfitüre kein Mus ist und überhaupt...
Feinschmeckern ist es egal, was ihnen den Mund wässrig macht, denn veritable Leckerbissen sind sie alle: Marmelade, Konfitüre oder Gelee, Fruchtmus, Kompott, Fruchtkonfekt und -aufstrich, kandierte Früchte, Trockenobstringe, Powidl, Latwerge oder Lemon Curd. Was ab Mai aus den Obstkiepen kullert, lässt sich einfangen für die Jahreszeiten, in denen wir von frisch gepflückten Erdbeeren und gemopsten Kirschen nur noch träumen.
Während für unsere Mütter und Großmütter Einmachen noch eine große Aktion war, können wir es uns heute dank hochwertigem Küchenhandwerkszeug und effektiven Einmachhilfen leichter machen.
Grundrezept Beeren-Konfitüre
1 kg gemischte Beeren mit 80 ml Zitronensaft im hohen Topf köcheln lassen. 1 kg erwärmten Zucker 5 Minuten durch Rühren darin auflösen. 15 Minuten kochen lassen, vom Herd nehmen, 25 g Einmachhilfe zugeben und weitere 15 Minuten sprudelnd kochen lassen, abschäumen...Wer’s mag, fügt jetzt einen konservierenden Schuss Hochprozentiges dazu, auch Ingwer, Zimt oder Nelken machen sich gut. In saubere, warme Gläser füllen, sorgfältig verschließen, 2 Minuten auf den Kopf stellen (die Gläser!), auskühlen lassen, beschriften und datieren. Fertig! 6-12 Monate kühl und dunkel haltbar.
Wichtig: Nur einwandfreie Früchte ohne Stiele, Blätter oder schadhafte und braune Stellen verwenden. Auch mit TK-Beeren denkbar!
Bananenkonfitüre
1 kg seeehr reife Bananen klein schneiden und mit 100 ml Zitronensaft + 750 g erwärmten Zucker zum Kochen bringen, abschöpfen. 30 Minuten bei mittlerer Hitze kochen, bei reduzierter Temperatur weitere 15-20 Minuten köcheln lassen, bis der Mix dickflüssig und hellrot(!) geworden ist. Erneut Schaum abschöpfen, mit einem sauberen Löffel sofort in Gläser füllen. Ein Spritzer weißer Rum oder Bananenlikör macht die Konfitüre vergeistigter.
Schnelle Himbeerkonfitüre
1 kg Himbeeren und 500 g Zucker in einem großen Topf gut vermengen. Vanilleschote mit zufügen. Unter Rühren aufkochen lassen, 3 Minuten sprudelnd kochen. Nicht länger!! Vanilleschote entfernen, Spritzer Himbeerwasser darin verrühren. Konfitüre randvoll in saubere Twist-off-Gläser füllen, jeweils ein Minzblatt obenauf legen. Gläser verschließen, auf den Kopf stellen, um ein Vakuum herzustellen. Variation: Sehr dunkle, geeiste Bitterschokoladensplitter unterrühren.
Grundrezept Kaltgerührte Konfitüre
Bestens geeignet für alle Beerenfrüchte und saftigen Steinobstsorten. Sorgfältig ausgelesene und gewaschene Früchte mit dem Mixstab pürieren, ggfs. durch ein Sieb streichen, Gelierzucker nach Anweisung unter das Püree geben und in kleinen Gläsern im Kühlschrank aufbewahren. Nicht so lange haltbar wie gekochte Konfitüre. Alternative: Einfrieren!
Eingemachte Winterfrüchte
1,5 kg feste Birnenstücke schälen und entsteinen. 1 rosa Grapefruit, 1 Orange, 1 Zitrone von der Wachsschicht befreien, halbieren, in Scheiben schneiden, entkernen, Fruchtfleisch hacken. Mit den Birnen pürieren. Fruchtpüree in einer nicht-metallischen Schüssel mit 1,5 kg erwärmten Zucker mischen, über Nacht ruhen lassen. Morgens in einem hohen Topf aufkochen, Hitze reduzieren, 45 Minuten köcheln lassen, abschäumen. 60 g Sultaninen, 250 g Rosinen, ein paar Nelken zufügen, unter Rühren noch mal 45 Minuten dickflüssig kochen, 100 ml Whiskey unterrühren, einfüllen.
Der EU-Marmeladen-Krieg
Wieder mal schlug eine EU-Verordnung zu und machte zu Mus, was eigentlich Marmelade oder Konfitüre war oder wie war das gleich ...? Vor der sogenannten Konfitüren-Verordnung aus dem Jahre 1982 konnte man ruhigen Gewissens Marmelade, Konfitüre, Fruchtaufstrich oder Mus gleichzeitig auf das Bütterchen streichen - dem Gaumen war alles Recht. Ein- oder Mehrfruchtmarmeladen wurden aus Zucker, Fruchtmus oder Fruchtmark eingekocht. Eine Konfitüre dagegen enthielt Fruchtstücke.
Nach der EU-Regelung darf sich nur noch das Marmelade nennen, was aus Zitrusfrüchten produziert wird, also all den wunderbaren Vitaminprotzen - von der Blut- und Bitterorange über Grapefruit und Tangerine bis zur Zitrone -, die wir vor allem in den lichtarmen Wintermonaten so schätzen. Marmelade leitet sich vom portugiesischen Begriff marmelo (Quitte) ab und ist als Orangenmarmelade vor allem in den angelsächsischen Ländern beheimatet, während die englische Brombeermarmelade als Jam bekannt ist.
Unsere Nachbarn in Österreich - für die Marmeladen in Palatschinke, Sachertorte, Linzer Torte, Buchteln, Faschingskrapfen, Polsterzipfe und Linzer Augen unverzichtbar ist - gingen auf die Barrikaden. Vor allem ein Wachauer Wirt, der seine eigene Marillenmarmelade zusammenrührte, widersetzte sich vehement dem Umbenennungsgebot, und die „Marillenaffäre“ ließ die Marmeladen in den Töpfen hochkochen.
Letztlich kam es zu einer Einigung: Österreich hat seine EU-Ausnahmeregelung. Oh, felix Austria .. Auch alle Kleinerzeuger, die direkt an den Endverbraucher verkaufen, dürfen ihre Marmelade nun weiter Marmelade nennen, auch wenn es eine Konfitüre ist. Allerdings nur im inländischen Handel - international laufen sie als Konfitüre. Ordnung muss sein.
Good old english marmelade
Die ersten Orangen-Marmeladen sind eher zufällig entstanden, als Ende des 18. Jahrhunderts eine Schiffsladung spanischer Bitterorangen im schottischen Dundee anlandete und - da roh ungenießbar - von einer Kaufmannsfrau gehackt und mit üppig Zucker eingekocht wurden. Die Marmelade schlug ein, bald gründete sich die weltweit erste Marmeladenmanufaktur.
Gerade im Winter lieben wir die Zitrusfrüchte, die so viel Vitamin C bunkern, dass eineinhalb bis zwei Orangen den Tagesbedarf von 100 mg decken. Die Zitrone schlägt alle anderen mit 53 mg Vitamin C auf 100 g Frucht aus dem Rennen. Die Mandarine ist mit 10 Gramm Zuckergehalt in 100 Gramm Frucht das Süßmäulchen. Die weiße Innenhaut sollte übrigens nicht entfernt werden, denn hier sitzen die immunisierenden sekundären Pflanzenstoffe und verdauungsfördernden Ballaststoffe. Von der Grapefruit schaffen wir statistisch gesehen nur 1 kg pro Jahr, obwohl sie mit 44 mg Vitamin C pro 100 g Fruchtfleisch ziemlich gut dabei ist. Es sind die Bitterstoffe, die manchem sauer aufstoßen.
Schnelle Bitterorangenmarmelade
1 k Bio-Bitterorangen (Pomeranzen) abschrubben, mit dem Sparschäler in 1-2 mm breite Streifen schälen und diese in 500 ml Wasser 20-30 Minuten kochen. Erkalten lassen. Den Saft der Bitterorangen und von 2 großen Blutorangen zu den Schalen gießen. Abmessen und in einen hohen Topf geben. Gleiche Menge Gelierzucker darin auflösen. Mix aufkochen, unter Rühren 2-4 Minuten sprudelnd köcheln. Nach der Gelierprobe in Gläser füllen. Vakuum herstellen.
Zwitter Marmelade-Konfitüre: Stachelbeer-Zitrone-Limette
1100 g Stachelbeeren vorbereiten, je 2 unbehandelte Zitronen und Limetten in hauchdünne Scheiben schneiden, mit 100 g Zucker und 200 ml Wasser pochieren, bis sie transparent aussehen. Stachelbeeren, 800 g Zucker, Zitronensaft zugeben, aufwallen lassen, über Nacht bedeckt kühl stellen. Tags darauf in einem hohen Topf aufkochen, 5-10 Minuten sprudelnd köcheln lassen, rühren! Abschäumen. Gelierprobe auf einem eiskalten Teller machen, schlägt der Mix Falten, ist die Köstlichkeit perfekt.
Lemon Curd
300 ml durchgesiebten Saft aus 7 Bio-Zitronen mit 250 g Butterwürfeln erhitzen, bis die Butter geschmolzen ist. 600 g Zucker darin unter Rühren auflösen. Abkühlen lassen. 6 verquirlte Bio-Eier durch ein feines Sieb in den Mix tröpfeln. Zitronenabrieb dazugeben. Masse in Metallschüssel im 90 Grad heißen Wasserbad (nicht kochen lassen!) cremig-dick rühren und in vorbereitete Gläser füllen. Mmmmh zum High Tea.
Alles Marmelade. Ein paar Regeln.
Einfrucht-Konfitüren mitteleuropäischer Prägung müssen sich in mehreren Qualitätsstufen zur Spitze emporklimmen: In einem Kilogramm Extra-Konfitüre verstecken sich mindestens 450 Gramm an Fruchtmark oder Pulpe (der genießbare Teil der noch nicht zu Mus gestampften Frucht), die normale Konfitüre (conficere = Konfekt) kommt mit 350 g aus. Ein Fruchtgelee entsteht aus Fruchtsaft und Gelierzucker. während ein Fruchtaufstrich auf Natursüße setzt und schlank mit wenig Zucker daherkommt (Tipp: Falls keine Kinder mitessen, verlängert ein guter Tropfen Hochprozentiges die Haltbarkeit). Pflaumenmus wird im Backofen mit viel Zucker eingekocht.
Wie wird aus der braven Süßen ein Vamp?
So lecker die altgewohnte Einfrucht-Marmelade auch ist, experimentieren Sie doch einmal mit gewagten Kombinationen, auch frische Küchenkräuter und Gewürze wie Kardamon oder Nelke, Zitronenabrieb oder Mandelessenz, Vanillemark, Lavendelblüten und Schokosplitter fügen sich nahtlos ein. Am besten eine kleine Menge antesten!
Originelle Kombinationen sind Feigen in Orangensaft, Himbeerkonfitüre mit Thymian, Erdbeerkonfitüre mit Basilikum, Hagebuttenmark mit Rosenwasser, Türkische Orangenmarmelade mit Zitronenmelisse, Sauerkirschkonfitüre mit Mandeln und Agavendicksaft, Zwetschgenmus mit Nelken, Ingwer, Slivovitz und Zimtstange, Trauben-Kiwi-Gelee mit Minze, Kumquat-Maracuja-Konfitüre mit Pistazien, Apfelgelee mit Duftpelargonie, Tomate-Ananas-Confit, Blutpflaumen mit Walnüssen, Honigmelone mit Gin, Holunderblüten mit Ingwer, Limettenmarmelade mit Chili, Apfelgelee mit Rosenblättern.
Übrigens kannten bereits die Alten Römer eine Art Pflaumenmus, sie waren schließlich Gourmets (und Gourmands). Tauchen wir also den Löffel tief ein in die immer junge Marmelade/Konfitüre, selbstgemacht, naturrein und ohne Konservierungsstoffe.
Wozu passt ein Klecks Marmelade?
Nicht nur auf knusprigen Brötchen, flaumigen Brioches und Croissants, in Torten, Plätzchen, Eierkuchen und Desserts sind Marmeladen und Konfitüren zum Anbeißen. Wild oder Sauerbraten liebt Sauerkirschen und Kronsbeeren, Wildschwein das Johannisbeergelee, Currys vertragen sich mit bittersüßer Bitterorange oder Ananasconfit. Am Niederrhein und in Westfalen streicht man Konfitüre aufs Käsebrot, zum gebackenen Camenbert sind Preiselbeeren, zum Ziegenkäse Feigenconfit göttlich. Und wer noch niemals mit Minze grasgrün gefärbten Frischkäse gemeinsam mit würzig-herber Brombeerkonfitüre gekostet hat, kann hier gar nicht mitreden.
Schauen Sie bald wieder herein, wenn Gurken eingelegt, Chutneys gerührt und schwarze Walnüsse konserviert werden. Bis dann!
Text: Sigrid Jo Gruner/ KochForm
Kochbuchtipps:
Casparek/Casparek-Türkhhan: Alles hausgemacht! GU
Konfitüren, Chutneys und Gelees, Thorbecke Verlag