Auf der Suche nach dem Geschmack der Alpen – Bergkäse & seine Brüder
Immer mehr Menschen überfällt es – das Bergfieber. Die Lust nach einem einfachen, ursprünglichen Leben, einer Auszeit von Zivilisation und Kompensation. Eine Generation von neuen „Älplern“ steigt aus und findet als Saisonkraft während der harten Arbeit eines Almsommers, in der Stille mit Ziegen, Kühen und Alm-Öhis ihre wahre Bestimmung, zeitweise oder ganz. Was hat dieses Leben was andere Lebensformen nicht bieten? – Nicht zuletzt Käse, mit den eigenen Händen und mit traditionellem Handwerkszeug erstellt und nach alter Methodik ausgereift. Eine göttliche Gabe der Alpen.
Die Legende lebt: Schweizer Käse-Sensationen
Wenn die Saison-Älper in Käserei-Kursen oder mit Hilfe erfahrener Praktiker die Kunst des Käsens lernen, dient dies auch Alpennatur. Mit der Pflege der Weidekultur tragen sie dazu bei, die bedrohte Artenvielfalt der Bergwelt zu erhalten. Bei der Almbewirtschaftung folgt man dem Prinzip des „nicht zu wenig und nicht zu viel“: Die Zahl der Weidetiere wird bemessen, damit die Almweiden weder über- noch unternutzt werden. Eine Nachhaltigkeitsphilosophie, die die industrielle Landwirtschaft vermissen lässt.
Uralte Traditionen halten die Käsekultur aufrecht, Almauftrieb, die herbstliche Rückkehr der geschmückten Tiere ins Tal, Alpkäsewettbewerbe, Käser-Meisterschaften, sommerliche Käsemärkte oder das traditionelle „Käseteilen“ sind Einschnitte im Bergjahr. Gekäst wurde früher nur auf der Alp, erst seit dem 19. Jahrhundert darf auch im Tal Milch zu Käse vergoren werden. Aber „Original Alpkäse“ darf sich auch heute nur der im Sommer auf luftiger Höhe aus Rohmilch erzeugte Käse nennen, denn nur er hat das unvergleichliche Aroma und die Würze der Almwiesen mit ihrer Vielfalt an frischen Alpkräutern, die Reinheit der Höhenluft und die Klarheit der Gebirgsbäche in sich aufgenommen. Mit seinem enormen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren ist der echte Alpkäse ein wahrer Gesundheitsbooster. Was in den Dorfkäsereien während des ganzen Jahres produziert wird, also auch zu Zeiten, wo nur Silage-Heu als Futter zur Verfügung steht, läuft unter dem Label „Bergkäse“. Auch er ist ein besonderer Genuss.
Die markengeschützten Vertreter des Schweizer Alpkäses sind bei uns schwer beliebt: Der nussige Emmentaler, der extra harte Hobelkäse aus dem Berner Oberland, dessen vollwürzige Existenz seit 1548 historisch belegt ist, der Vacherin aus der französischen, der Tessiner aus der italienischen und der Alpsbrinz aus der Innenschweiz. Der vielseitige Gruyère schmiegt sich in Fondue, Gratin und Tarte, auf Pasta und Gnocchi.
Gnocchi mit grünem Spargel und Gruyère
Oder einfach ein frisch belegtes Käse-Bütterchen aus der Hand?
Frisches Baguette (oder dickere Scheiben französischen Landbrots) aufschneiden, mit einem Aufstrich aus Mayo, feinst gehacktem Knoblauch, Salz, Pfeffer, Topfen oder Frischkäse bestreichen, mit jungen Spinatblättern, Tomatenscheiben, hauchdünnem Bündner Fleisch belegen, kurz angegrillte kräftige Gruyère-Scheiben obenauf, zuklappen, genießen! Das isch maximal!
Interessante Randnotiz: Das Schweizer Käsefondue trat seinen Siegeszug erst an, als es in den 1950er Jahren in die Kochbücher der Schweizer Armee aufgenommen und über die Soldaten in die Familiengewohnheiten hineingetragen wurde. Daher war es in der Regel Sache des Hausherrn, den Käse auf dem Herd in einem Caquelon zu einer sämigen Masse zu schmelzen. Seinen geselligen Charakter hat das Käsefondue bis heute nicht verloren, auch die „Verlierersitte“ blieb erhalten: Wessen Brot- oder Kartoffelstück beim Eintunken untergeht, der muss ein Kirschwässerli ausgeben oder ein Lied singen!
Der Schweizer Alpkäse blieb nicht nur im eigenen Land – 1863 gründete ein 20-Jähriger Käser namens Oswald Roth im schweizerischen Niederbipp eine Emmentaler-Käserei und exportierte bald in alle mittel- und westeuropäischen Länder, nach Südamerika und in den Staaten. Sein Sohn Otto ließ sich 1911 in New York mit einer Käseagentur nieder. Dessen Nachfahren schließlich betrieben ab 1936 die florierende „Roth Käsemanufaktur“, bis sich der Lebensmittelgigant General Foods diese einverleibte. Aber noch heute wird die Flagge des alten Käsehandwerks unter dem Label „Roth Käse“ in Monroe, Wisconsin hochgehalten.
Auch echte Käseläden gibt es noch – „schweizweit“ etwa ist mit seinem Gründer und Betreiber Stefan Casper in Ottensen angesiedelt, in einer Stadt, die man nicht unbedingt mit Käse verbinden würde. Hier schwebt der Duft von 65 Schweizer Käsesorten in der leicht nebeligen Hamburger Luft.
Wirklich alter Käse!
Als der Urzeit-Mensch die Phase des reinen Sammeln und Jagens hinter sich ließ, war Käse eines der ersten bewusst hergestellten Lebensmittel, dabei eher zufällig entstanden, als man Milch mit Hilfe von pflanzlichen oder tierischen Zusätzen haltbar machen wollte. Erste Bildnachweise einer urzeitlichen Käserei finden sich auf Wandgemälden aus Mesopotamien, Homer erwähnt eine antike Milchwirtschaft mit Ziegen, die Römer experimentierten bereits mit unterschiedlichsten Käsesorten. Im Mittelalter kam den Klöstern eine Vorrangstelle bei der Käseproduktion zu. Der markige Rotkäse Munster gilt als Spezialität der Benediktiner. Aber erst die neuzeitlichen Transportwege und Beförderungsmittel revolutionierten die Käseherstellung und die Erfindung der Pasteurisierung ließ sie explodieren. Hygiene und Technik waren Geschenke der Neuzeit, die Herstellungsmethodik aber blieb seit Anbeginn die gleiche. In Punkto Sortenvielfalt ist Käse heute kaum zu schlagen.
Österreichs Käseimperium – alles andere als käsig
Bei der 18. Internationalen Almkäseolympiade im März 2013 im Tiroler Flecken Galtür maßen sich rund 120 Almkäseproduzenten länderübergreifend in der Herstellung des besten Alpenkäses. Es brillierten die österreichischen und Südtiroler Käsereien: Gold holte sich die Alpe Seefloh mit einem preiswürdigen Bergkäse, der Oberinntaler Almkäse hatte in der Rubrik Weichkäse die Nase vorn und die Südtiroler Höfer Alm beim Schnittkäse.
Auch in Österreich wird altbewährte Käsekunst auf den Almen, in der Fülle der unvergleichlichen Pflanzenwelt und mit den Methoden der traditionellen Land- und Viehwirtschaft betrieben – Bergkäse von der Hochalp, Fasslkäse im Leintuch, Rahmbrie, Holunderkäse, Weinkäse und Kräuterschatz, Bärlauch-, Blümli- und Ziegenkäse – von kräftig-würzig bis mild-süßlich, für jeden Gaumen ein feiner Genuss aus Zillertal, Voralberg oder Tirol.
Spezialitäten wie der Most-, Wein- oder Braukäse, dessen Rinde sich unter Einwirkung von Birnenmost, Rotwein oder Braumalz entwickelt, Bergkäse, der durch die Lagerung auf Fichtenholz sein Aroma intensiviert oder der Felsenkäse, der 2 Monate in Tiroler Felsenkellern lagert, Mostviertler Schofkas, Montafoner Sura Kees oder Pinzgauer Bierkäse gehören zum kulinarischen Erbe Austrias.
Der Graukäse entstand ursprünglich aus der Resteverwertung. Die bei der Butterproduktion anfallende Rest-Magermilch sollte sinnvoll verwendet werden und wurde, in Holzformen gepresst, im kühl-feuchten Käsekeller gelagert. Durch die entstehenden Risse in der sich bildenden Käsehaut lagerte sich im Innern Schimmel ein und sorgte für den bekannt eigenständigen und für manche Gaumen recht speziellen Geschmack. Tiroler Graukäse schmeckt sensationell in einer Marinade aus Essig, Öl und Zwiebeln oder im ...
Graukäseknödel
400 g altbackenes Brot würfeln, hellbraun rösten. Mit 300 g geschnittenem Graukäse (Edelschimmel, Handkäse) mischen, mit 300 ml warmer Milch übergießen und 15 Minuten ziehen lassen. 2 Zwiebeln hacken, glasig dünsten, mit geschnittenem Schnittlauch, 3 aufgeschlagenen Eiern unter die Brotmasse mischen. Mit Salz, Pfeffer, Muskat, Prise Cayenne abschmecken. Mit feuchten Händen geformte Knödel in einem weiten Topf mit kochendem Salzwasser aufwallen und 10 Minuten garen. Zum Genuss mit knusprigen Räucherspeckstreifen und in Butter gerösteten Salbeiblättern belegen.
Das zwischen Donau, Wienerwald und Alpenvorland eingebettete Mostviertel, das bereits 5000 v. Christus besiedelt war, liefert den Mostviertler Schofkas. Glückliche Schafe, die auf saftigen, hügeligen Streuobstwiesen zwischen uralten Birn- und Apfelbäumen weiden, spenden die aromatische Milch. Erst der Schofkas macht eine Heurigenjause so richtig komplett – mit Schnittlauch, Kürbiskernöl, Birnenbalsamessig, Salz und frischem Pfeffer aus der Pfeffermühle eine ganz feine Sache.
Käse in unserer Küche
Sie haben Ihre Käseschätzchen nachhause gebracht und wollen sie nun bis zum letzten Käsekrümel genussvoll halten?
Wo der Himmel immer weiß-blau ist – Käse aus Bayern
Zu einer deftigen bayerischen Brotzeit im Biergarten gehört ganz klar ein ordentliches Stück Käse, Emmentaler, Camenbert, Blau- oder Rotschimmel, Weinkäse, Weißlacker, Obatzda oder Limburger. Begleitet von Radieschen, Salz, Pfeffer und Gürkchen rutscht es besser. Eine Brezn darf nicht fehlen, Roggen-, Mohn- oder Kümmelsemmeln, Anisbrot oder Vinschgauer machen das „Kraut fett“. Umspült wird bayerischer Käse vorzugsweise von einem heimischen Dunkelbier, einer Weiß’n oder fränkischem Silvaner.
40 Prozent des deutschen Käsebedarfs deckt die Produktion im Freistaat. Zwischen 400 Sorten eigenwilliger Käsecharaktere – vom Allgäuer Bergkäse aus der Rohmilch der Sennalpenbis zum König Ludwig-Bierkäse – einem Weißlacker, der seit 1874 seine Liebhaber findet, liegen käsekulinarische Parallelwelten.
Allgäuer Kraut-Käsespätzle
4 Eier, 600 g Mehl, je 0,25 l stilles Wasser und Milch und eine Prise Salz zu einem Spätzleteig verrühren, bis er Blasen wirft. In kochendes Salzwasser hobeln und garen. Die abgetropften Spatzen abwechseln mit jeweils 150 g geriebenem jungen und altem Bergkäse sowie gekochtem Sauerkraut in eine angewärmte und gebutterte Schüssel geben, geröstete Zwiebeln, krosse Speckwürfel und gehackte Petersilie darüber. Mit Bockshornklee-, Knoblauch– oder Pfeffer-Käsevarianten experimentieren!
Allgäuer Käsesalat
Reifen Emmentaler fein würfeln, in einem Dressing aus roten Zwiebelringen, Petersilie, Salz, frischem Pfeffer aus der Pfeffermühle, Apfelessig, feinen Kapernblüten baden.
Immer mehr Familien mit Kindern finden auf bayerischen Bio-Bauernhöfen mit eigener Alm, Milchkühen oder Ziegen zwischen blühenden Wiesen und prächtigen Obstgärten ideale Bedingungen für einen urwüchsigen Natururlaub. Eine Ferien-Käserei zum Lernen und Mitmachen hat im Dorf-Haus von Thalkirchdorf geöffnet. Im originalen Alp-Ambiente kommt neben Käse auch die originäre bayerische Küche mit Schweinebraten, Kartoffelstrudel, Rohrnudeln, Topfenspätzle, Birnen-Scheiterhaufen und Holunderkücherln zu ihrem Recht.
Wo gehobelt wird, da fallen Käsespäne!
Nicht nur für die zauberhaften Käserüschen des Tète de Moine ist hervorragendes Werkzeug in Gestalt einer Käsereibe ein Muss. Käsehobel, Käsebeil, Fondue-Gerätschaften, eine Käsereibe mit verschiedenen Einstellungen, ein spezieller Spätzle-Hobel machen den Genuss erst rund. Ohne ein hochwertiges Käsemesser aus langlebigem Stahl mit einem angenehm griffigen Holzkörper geht gar nichts. Käsebretter, Käseglocken, Käsespieße, Fonduegabeln... Mit den stimmigen Gerätschaften macht sich Käse noch mehr Freunde.
Zwischen den Kulturen: Südtirol
Auch in Südtirol blühen die angestammte Käserei-Tradition und ein hoher Qualitätsanspruch. Allein im Vinschgau erwirtschaften noch 28 Sennalmen mit der Milch von rund 1.500 Alpkühen ein Käse-Jahresergebnis von 1 Mio Umsatz. Angesichts des moderaten Produktpreises eine runde Summe! Das jährliche Südtiroler Käsefestival in Taufers im Ahrntal ist nicht ohne Grund zum größten Käse-Event der Alpen angewachsen: 1000 Käsesorten aus dem gesamten Alpenraum und ganz Europa werden verkostet, Spitzenköche kochen auf und Südtiroler Kunst-Handwerk stellt sich vor.
Südtiroler Spinatspatzeln
100 g gekochten Blattspinat zerkleinern, mit 1 Ei, Salz, 50 ml Wasser, Muskat pürieren. Mit 125 g Mehl verkneten. Mit einem Spätzlehobel in kochendes Salzwasser streichen, umrühren, aufkochen, abseihen. Geröstete Rohschinkenstreifen mit 200 ml Sahne, 3 EL geriebenem Bergkäse und 2 TL Parmesan aufwallen lassen, salzen, pfeffern, reduzieren. Spatzen darin schwenken. – Auch auf Polentagratin entwickelt Südtiroler Bergkäse eine würzige Kruste.
Käsesuppe
50 g gewürfelte Zwiebeln in 50 g Butter andünsten, mit Mehl bestäuben, umrühren, mit 500 ml Gemüsefond, 100 ml trockenem Terlaner Weißwein angießen, 10 Minuten köcheln. 200 ml Schlagsahne, 250 g geriebenen Käse zufügen, leicht aufmixen. Salzen, pfeffern, Spritzer Zitrone. Kresse, Wildkräuter und luftgetrocknete Vinschgauer Würstchen in Scheibchen bereichern Konsistenz und Geschmack.
Käsknödel
werden in Südtirol aus altbackenen Brötchen, 200 g Bergkäse, Quark, Gorgonzola, Eier, Zwiebeln, Petersilie und Kümmel, Mehl Butter und Salz geformt. Sie stehen für die Südtiroler Küche, die in ihrer urtümlich gradlinigen Art und der Bevorzugung heimischer, saisonaler und wildwachsender Produkte ein Herzstück des nationalen Kulturerbes ist.
In „Käse II“ geht’s auf Käse-Spurensuche in den Mittelmeerraum und den Nahen Osten. Sind Sie mit dabei?
Text: Sigrid Jo Gruner/MissWord!