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Sizilien (I): Cucina Siciliana - eine Küche voller Wunder

sizilien

Der Ätna nimmt und gibt. Seit dem letzten verheerenden Erdbeben durch den Vulkanausbruch im 17. Jahrhundert verliefen seine regelmäßigen Ausbrüche eher glimpflich. Zum letzten Mal grummelte er im Februar 2013 – eindrucksvoller zeigt sich die Unberechenbarkeit der Natur selten. Die vulkanische Erde rund um den Ätna machte Sizilien zu einem fruchtbaren Land. Man hat mit dem großen Feuerspeier zu leben gelernt, über die Jahrhunderte. Die Ferrovia Circumetnea umrundet in der Region Catania den Vulkan wie einen freundlichen Bruder. Der Koloss scheint ein Wesen aus einer anderen Welt zu sein. Hier vor der Südspitze des italienischen Stiefels brodelt die unbarmherzige Sommerhitze zwischen engen Gassen, auf der Piazza verdursten die Brunnen, die Lavaböden schlagen Blasen und nur eine eiskalte Granità kann vor einem Hitzschlag retten, so scheint es. Aber mehr als die Hälfte des Jahres ist der 3350 Meter hohe Ätna mit einer weißen Schneehaube bedeckt.

Granità di Mandorla

60 g Marzipanrohmasse zerbröseln und mit 2 EL Zucker und 500 ml Mineralwasser fein pürieren. Ein geschlagenes Eiweiß in die Masse rühren und alles in einer Eismaschine 30-35 Minuten gefrieren lassen.

Granità (sorbetto granito) wird aus eisgekühlten hohen Gläsern sehr rasch gelöffelt, denn in der Hitze macht sie sich schnell flüssig. Ergänzt mit Brioche und Caffelatte gibt sie ein wunderbar erfrischendes sommerliches Frühstück ab. Bereits in der Antike wurde eine Art Granità aus dem Eis des Ätna produziert. Heute erledigt dies der mantecatore. Neben der Granità mit dem saporo di mandorla stehen Limone, Pistazie, Blutorange, Wassermelone, Walderdbeer, Pfirsich und Caffè hoch im Kurs. Damit haben sich hier bereits die landesüblichen Dessertlieblinge vorgestellt. Ohne Mandeln, Pistazie und Zitronen läuft schlechterdings gar nichts. Die spektakulären schwarzen Maulbeeren Siziliens färben die Granità blutrot. Eine Rarität, die es nur zwei Monate jährlich zu kosten gibt, denn produziert wird ausschließlich mit frischen Früchten, und dies täglich.

cannoli

Viele sagen, die Granitá sei fruchtiger und nussiger als die Frucht selbst. Die leicht körnige Konsistenz ist weder Sorbetto noch Gelato und besteht zu 80 Prozent aus Fruchtessenz. Keine Fettkalorien aus Milch oder Sahne stören die prickelnde Leichtigkeit des Seins. Grandios und genial einfach. Die Zunge, von der Kälte in helle Aufregung versetzt, lechzt nach dem puren Fruchtflavour, das die Geschmacksknospen schlagartig öffnet. Das Getränk für unterwegs, am Getränke- und Eiswagen, ist  die Grattachecca, eine halb gefrorene Limonade aus dem Gold Siziliens, den Zitronen und Blutorangen von den Hängen des Ätna.

In Catanias Caffè Europa kann man noch das alte Sizilien besichtigen und Zuckerbäckertradition zwischen meterhohen Spiegeln mit barockem Goldrand bestaunen: Anschmiegsame Cannoli (Mandelteigröllchen mit Ricottafüllung), Baisers und Fruchtörtchen, quietschbunte Marzipanfrüchte, Frutta Matorana (in Mandelteig gebackene Früchte), Pignolata (Schmalzgebäck), Fritelle di arance con fichi d’india (Orangenküchlein mit Kaktusfeigen), Baba all amaretto (Hefegebäck mit Mandelsirup und Macedonia) und nicht zu vergessen die Cassata auf der Basis des Pan di Spagna, einem weingetränkten Biskuitkuchen, gepampert mit einer mächtigen Ricottadosis und kandierten Früchten.

Mandeln und Pistazien, von den Arabern eingeschleppt, sind Pflicht und Kür in der sizilianischen Küche. Von der klassischen italienische hat sie sich längst abgenabelt und innerhalb ihres Territoriums und der umliegenden Inseln mehrere Regionalküchen herausgebildet. Ständische Unterschiede spielen eine Rolle: Landarbeiter essen anders als die Weinbarone, Hirten oder Fischer.

Die Spanier brachten die Schokoladekunst der Azteken und Maya nach Sizilien. In der Schokoladenmanufaktur Bonajuto in Modica wird seit 1880 exquisite Schokolade liebevoll nach alter Tradition in Form gegossen, während der Schokoladenhandwerker Corrado Assenza im Caffè Sicilia mit allerlei aparten Zutaten experimentiert. Vanille- und Lavendelblüten, Fenchel, kandierte Früchte und Blätter, Meersalz und Chili – erlaubt ist, was schmeckt. Süß, salzig und scharf gehen auf Sizilien köstliche Verbindungen ein. Der Limoncello (weltberühmter Zitronenlikör) oder die nicht weniger renommierten Dessertweine Marsala, Malvasia und Vino di Mandorle (Mandelwein) haben keine Berührungsängste mit Fisch, Fleisch oder Nudel.

sizilien_nudeln

Eine eigenständige kulinarische Welt auf dem Sprungbrett nach Afrika

Besucher wählen mit Sizilien ein touristisches Kleinod. Neben historischer, kulturellen und architektonischen Reizen, pulsierenden Städten, Naturschönheit und pittoresken Schauplätzen ist die Küche Siziliens von sensationeller Eigenart, einer der aufregendsten Küchen im Mittelmeerraum. Seit 3000 Jahren absorbiert sie alle erdenklichen Einflüsse und bietet noch heute urwüchsige Simplizität mit origineller Vielfalt. Die fruchtbare Vulkaninsel sah Volksstämme wie die Sikaner, Sikulen und Elymer, Phönizier und Kartager kommen und untergehen. Die Römer ersetzten das Griechische durch Latein. Vandalen und Ostgoten kamen und gingen, schließlich Byzanz. Im 9. Jahrhundert kaperten die Araber den mächtigen Handelsplatz und bereicherten die Agrarwirtschaft mit ihren modernen Bewässerungssystemen. Nach König Friedrich II., dem Staufer, kamen neue Herrscher: Spanien, Savoyen, Österreich, das Königsreich Italien verleibte sich Sizilien 1861 ein.

Der Trieb nach Unabhängigkeit ist bis heute ungebrochen auf dieser stolzen Insel, wo mit der Mafia eine Parallelgesellschaft lebt. Bilder aus dem "Paten" haben sich in unser Film-Gedächtnis eingegraben. Der Geburtsort des Mafiapatrons – Corleone – war auch im wirklichen Leben lange Zeit Sitz der mächtigsten Mafia-Clans. Kuriose Randnotiz: Auch Al Pacino, der als Film-Michael seinen Vater Vito im Paten-Amt beerbt, hat seine realen väterlichen Wurzeln im sizilianischen Corleone. Ob ihm das beim Casting zugute kam?

Die sizilianische Küche lebt aus dem Land heraus: Olivenhaine, Weinhänge, Reisfelder, Gemüsegärten, Zitronen- und Orangenplantagen, fruchtbare Weizenäcker für das Sesambrot, das dreimal täglich frisch gebacken wird, und für die Pasta, von der jeder Sizilianer mindestens 100 kg im Jahr verzehrt. Gemüse satt von Artischocke bis Zucchini, die weltbesten Tomaten, Minze, Thymian, Basilikum und wilder Fenchel. Das Fischnetz hält alles vor: Thunfisch, Muscheln, Garnelen, Rotbarben, Schwertfisch oder Zackenbarsch. Fruchtig-samtige Rotweine und überraschende Weißweine, die jedes Fischgericht verfeinern.

arancin_neui

Alles ist da auf diesem gesegneten Fleck Erde!

Ein ungemein beliebter Snack oder leichter Mittagsimbiss sind die Arancini, beinahe ein sizilianisches Leitmotiv. Was sich als „kleine Orangen“ übersetzt, entpuppt sich im Mund als gefüllte und frittierte Reiskugeln.

Arancini
1. Am Vortag 400 g Langkornreis garen, mit 80 g geriebenem Pecorino mischen und über Nacht kalt stellen.
2. Auch die Füllung wird am Vortag erstellt: 100 g weiße Zwiebeln würfeln, Knoblauch halbieren, 1 rote Chili fein schneiden, 1 Dose Tomaten abgießen und hacken. 250 g gemischtes Hack in 3 EL Olivenöl krümelig braten, würzen, Zwiebeln, Knoblauch und Chili mitbraten. 1 EL Tomatenmark einrühren, Tomaten und Tomatensaft zufügen. Alles bei milder Hitze ca. 50 Minuten einkochen. 50 g TK-Erbsen kochen und mit der erkalteten Hackfleischsauce mischen. Über Nacht kühl stellen.
3. Tags darauf: 4 Eier trennen, Eiweiß steif schlagen, Eigelbe unter die Reismasse fügen, würzen. Aus Reis- und Hackmasse je 12 Bällchen formen. Die Reisbällchen platt drücken, ein Hackbällchen auflegen, mit der Reismasse umhüllen.
4. Reisbällchen in steifem Eiweiß und in Semmelbröseln mehrmals wenden.
5. 2-3 L Pfanzenöl in einem hohen Behälter auf ca. 170 Grad erhitzen, Reisbällchen in kleinen Portionen goldbraun ausbacken. Abtropfen lassen. Sofort genießen.

Bei aller Üppigkeit ist die Küche leicht und bekömmlich. Vielleicht auch den Zeiten großer Armut geschuldet, als man improvisieren und sich bescheiden musste. Dennoch gehört gut zu kochen und zu essen zum sizilianischen Lebensgefühl, spät am Abend in großer Runde oder beim sonntäglichen Picknick, wenn vom Nonno bis zum Bambino alle gemeinsam schmausen. Und das dauert: Bruschetta und pikante Antipasti lässt sich keiner entgehen, dann folgen Pasta, Fisch mit Salat und/oder Huhn, Kaninchen, Lamm, Zicklein oder Salsiccia (Schweinsbratwurst mit Fenchel), mit gekochtem, aber gerne kalt serviertem Gemüse. Wild gewachsenes Gemüse wie Spargel, Fenchel, Mangold, Distel-Artischocke werden kräftig und arabisch gewürzt. Wenn der Reisende erstaunt feststellt, dass auf Sizilien Fleisch noch nach urwüchsigem, gesunden, originärem Tier schmeckt, kann dies daran liegen, dass viele Metzger ihren Züchtern das Tierfutter präzise vorschreiben – Saubohnen und Trockenfrüchte sind keine Seltenheit.

pastanorma_klein

Die feinsten Kapern kommen von den Liparischen Inseln, je kleiner, desto delikater. Ihre Bitterstoffe werden durch mehrfaches Einlegen in Salzlake, Essig oder purem Meersalz ausgespült. Der einfache, aber beliebte Brotsalat erhält damit seinen Kick!

Insalata di pane*

In einen gemischten Salat aus Romana, Kirschtomaten, kleinen roten Zwiebeln, Kapern, schwarzen Oliven werden gebrochene Friselle (Zwieback-Kringel) gemischt und mit einem Dressing aus Weißwein, Weißweinessig, Olivenöl, Salz, Pfeffer und Basilikum übergossen.

Carciofi Gratinati
Frisch gekochte und längs aufgeschnittene Artischocken (Heu entfernen) mit einer Farce aus Butter, Pecorino, Semmelbröseln, Knoblauch, Salz, Pfeffer, Oregano, Lorbeer, Tomatenpüree und Marsala überbacken.

Spaghetti Norma

Eine Traditionspasta mit Auberginen und Tomaten, benannt nach Bellinis Oper „Norma“, dem Nationalhelden der sizilianischen Musikszene.

Auch gegrilltes Fegato di vitello su caponata setzt auf Auberginen – und Rosinen, Brandy, Tomaten, Schalotten, Knoblauch, violetten Oliven, Kapern, Rosmarin, Pinienkernen, Peperoncini und Weißweinessig.*

Sizilianer lieben Fleisch scharf gegrillt, Bistecche alle palermitana* etwa. Rinderlende, die mit einem Pesto aus Olivenöl, Kapern, Sardellen, Kirschtomaten Semmelbröseln, Pecorino, Knoblauch und einem Schuss Weißwein hervorsticht.

Eine Rarität, die man nur auf Sizilien bekommt - Neonata, eben geschlüpfte Sardinen, die noch völlig durchscheinend und fragil sind. Was wie Linguine anmutet, sind zarteste Fischleiber.

Pasta con le neonata

Die Neonata werden in einem Sugo aus Olivenöl, Weißwein und Fischfond (in Pulverform) sanft und kurz erhitzt, mit viel, viel frischer Blattpetersilie vermengt und über die dampfenden Spaghetti gegeben.

Bestellt man auf Sizilien eine Pasta mit einer bestimmten Sauce, kann es passieren, dass die Teigwaren vollkommen unter einem Hügel aus Scampi, Muscheln, Auberginen, Pilzen oder Sardinen verschwinden.

Safran ist das wichtigste Gewürz bei diesem pikanten Pollo, das geteilt und in heißem Öl scharf angebraten und mit viel halbtrockenem Weißwein und kräftiger Hühnerbrühe abgelöscht wird, um danach gemeinsam mit frischem Thymian, Lorbeer, Knoblauch, Rosinen, Fenchel und Safran eine Stunde weiter zu garen. Feine Beilage: wilder Mangold mit Rosinen oder gedämpfte Romanasalatköpfe.

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Raffiniert: Linguine al cartoccio

Ein Gedicht aus Bandnudeln, gekochten gemischten Meeresfrüchten, Tomaten, Kapern, Peperoncino, Weißwein und Petersilie. Als flaches fischähnliches Alupäckchen darf es im „zweiten Durchgang“ im Backofen noch 10 Minuten lang Aroma entwickeln.

Tonno su insalata di patate

1. Thunfischsteaks in Knoblauch, Salz, Weißwein 30 Minuten marinieren.
2. Trocken tupfen, in Olivenöl auf beiden Seiten etwa 1 Minute braten. Nachziehen lassen.
3. Gekochte, noch warme Kartoffeln in groben Würfeln mit einer Sauce aus Olivenöl, weißen Zwiebeln, frischer Minze, viel Zitronensaft, Salz und Pfeffer übergießen.
4. Den lauwarmen Salat auf Tellern portionieren. Thunfisch darauf setzen, mit Minze und Zitronenscheiben garnieren.

Eine besonders wunderliche Familie

Gibt es an einem Sommerabend mit Meerblick Köstlicheres als frisch gegrillten Tintenfisch mit Zitronen, Aioli und Petersilie? Oder Pasta con Nero di Seppie? Ganz einfach Sepiaextrakt mit Zwiebeln, Knoblauch, Peperoncini, Olivenöl und Weißwein zusammenköcheln. Basta. Wer’s nicht so schwarz mag, mischt mit Tomaten auf.

Übrigens sind die kugeligen Sepia keine Fische, sondern schneckenähnliche Weichtiere. Fühlen sie sich bedroht, gehen sie mit der berüchtigten schwarzen Farbwolke in Deckung. Sepia-Farbbeutel gibt’s im guten Fischfachhandel. Die kleineren Seppiola stellen eine eigene, allerdings rasch verderbliche Art. Bei uns bekannt wurde der Tintenfisch als langer, schlanker Kalmar oder bis zur Unkenntlichkeit verändert als frittierte Tintenfischringe. Die Krake, der achtarmige Oktopus, ein Unikum aus Fangarmen mit Saugnäpfen, lässt sich nur langsam weichkochen.

Polposalat

Tintenfisch in Salzwasser garen, abkühlen und stückeln. Mit blanchierten Karotten- und Bleichselleriestücken in einer Schüssel mischen und mit einem Dressing aus Zitronensaft, Olivenöl, Salz, Pfeffer, Schuss Weißwein, Spritzer Limoncello und klein geschnittener Petersilie zu einem Salat mischen.

sardine_klein

Gebratene Sardinen mit cipolle rosse
Frische Sardinenfilets in heißem Olivenöl herausbraten. Herausnehmen, warm stellen. Rote Zwiebelringe im Fond anschwitzen, mit Weißwein und Balsamico ablöschen. Gut gepfeffert über die Fischchen gießen. Mit knusprigem Sesambrot eine Delikatesse.

Seezunge in Weißwein
Gesalzene und gemehlte Seezungenfilets in Olivenöl anbraten, mit Weißwein ablöschen, Butter, Fischfond und Kräuter zufügen. Leise köcheln lassen. Stracchino-Käse auf den Fisch legen, abdecken und einige Minuten zerfließen lassen.

Falls Sie jetzt doch etwas vermisst haben  - den prächtigen Zitronen und Blutorangen widmet sich Sizilien Teil II. Dann wird auch die eine oder andere Bottiglia geöffnet und in sizilianische Espressotassen geschaut. Salute!

 Die Rezepte mit * sind in „Die neue echte italienische Küche“ (GU) nachzulesen.

Text: Sigrid Jo Gruner, MissWord!

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